Das Mädchen-Buch
Öffentlichkeit eingestehen zu müssen, wo wir sie doch schon vor uns selbst nicht verbergen können und uns einfach nur unfähig fühlen, vor diesem Leben zu bestehen. Wir sehnen uns nach Sicherheiten und, nach Ritualen; Dingen, denen wir vertrauen können, die zur gleichen Zeit am selben Ort geschehen, jede Woche wieder. Reizüberflutung und Grenzenlosigkeit machen es so schwer, einen Platz zu finden in dieser Gesellschaft – und in uns selbst.«
MAXI K., 19 JAHRE 108
Das klingt fast ein bisschen wie ein Ruf um Erbarmen: »Hilfe, nicht immer noch höher, weiter, schneller.« Der Optimierungsdruck, dem gerade junge Mädchen entsprechen und den sie auch für sich nutzen, hat die Kehrseite: Ist es immer noch nicht genug? Bin ich immer noch nicht genug?
Junge Erwachsene wünschen sich gleichzeitig Abenteuer und einen »Heimathafen«. Sie brauchen beides, um mutig in die Welt zu gehen. Das gehört zusammen. Die 15-jährige Judith bringt ihren Wunsch nach etwas Beständigem für sich so auf den Punkt: »Ich möchte etwas schaffen, das bleibt, z. B. ein Buch schreiben, ein Heilmittel finden oder nur jemandem sehr helfen.« Der Psychologe und Medienforscher Stephan Grünewald beschreibt in seinem Buch »Die erschöpfte Gesellschaft«, wie sehr Chaos, Unordnungen und Überraschungen diffuse Ängste bei Jugendlichen wecken können. Bei jungen Leuten, die beispielsweise Eltern hatten, die für sie als Kinder weitreichende Entscheidungen getroffen haben, ohne sie darauf vorzubereiten, selbst zu handeln. Kinder, die erleben, dass plötzlich einer der Eltern auszieht, dass jetzt häufiger mal wechselnde Partner | 242 | der Eltern am Küchentisch sitzen, dass auch Eltern manchmal einen Joint rauchen, einen Rausch haben und morgens nicht aus dem Bett kommen, sind verwirrt, wenn sie nicht vorbereitet waren und ihnen nichts erklärt wurde. Wer ständig mit »bösen« Überraschungen rechnen muss, ist ständig auf der Hut. Er kann sich nicht entspannen. Grünewald zitiert einen 18-Jährigen, der von einer gemeinsamen Reise mit dem Vater auf dem Highway Number One berichtet. Der Vater habe immer wieder gern auf das weite Meer geschaut, er selbst schaue lieber auf einen Zaun. Der »kindische« Vater habe ihm beigebracht, dass man als Autofahrer auch mal Verkehrsregeln missachten kann und als Fußgänger auch mal bei Rot gehen könne. 109 Und das offenbar zu einer Zeit, als er noch mehr Sicherheit und Orientierung gebraucht hätte. Viele junge Menschen wünschen sich das »Haus am See«, wie Peter Fox es in seinem Hit besingt. Sie möchten finanzielle Sicherheit, Treue in der Partnerschaft und ein erfolgreiches, glückliches Leben.
Träume
Wenn junge Mädchen von ihrer beruflichen Zukunft träumen, klingt das zum Beispiel so:
»Ich möchte Balletttänzerin werden, seit der Filmserie ›Dance Academy‹ fand ich das voll toll und hab dann alleine geübt. Vorher wollte ich Psychologin werden, um Leuten zu helfen und zu erfahren, was bei denen so abgeht.«
LENA, 15 JAHRE
***
»Ich möchte Schauspielerin werden und eine Familie gründen.« | 243 |
SASKIA, 17 JAHRE
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»Ich möchte Physiotherapeutin werden. Das Praktikum im Kindergarten hat mir nicht gefallen. Ich möchte mit Menschen etwas zusammen machen und Menschen helfen.«
LINA, 14 JAHRE
Auch wenn die Kindheitsträume sich oft noch einmal wandeln und einer »realistischeren« Berufswahl weichen, sollten wir nie aufhören zu träumen und unseren Töchtern ihre Träume nicht nehmen. Träume eröffnen Spielräume, und auch wenn sie sich nicht eins zu eins erfüllen lassen, sind sie ein wichtiger Teil des Weges, den junge Mädchen gehen, um ihren Beruf und ihre Art zu leben zu finden.
»Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind. Wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat.«
MARIE VON EBNER-ESCHENBACH,
ÖSTERREICHISCHE SCHRIFTSTELLERIN
Träume und Ideale sind ein wichtiger Motor, um sich auf den Weg zu machen. Sich vorzustellen, wie man etwas verändern könnte und was man erreichen möchte, beflügelt. Auch wenn der Weg dann anders verläuft und man nicht als Star auf der Bühne, sondern als Erzieherin im Kindergarten landet. Bill Gates, Chef des Computerkonzerns Microsoft, hat sich buchstäblich vom Tellerwäscher zum zeitweise reichsten Mann der Welt hochgearbeitet, indem er seinen Träumen gefolgt ist. Er empfiehlt Eltern: »Das Wichtigste ist, dass wir unseren Kindern vermitteln, dass sie eine glänzende Zukunft mit glänzenden
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