Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
Schiff zu besitzen und Giuditta von hier fortzubringen. Auf Liebe und Freiheit. Doch während er hier in diesem Boot auf der Bank saß, merkte er, wie absurd seine Pläne waren.
Du bist doch nur ein dummer kleiner Junge, sagte er sich und fühlte, wie Wut in ihm aufstieg.
Er betrachtete Scarabello, seinen neuen Herrn.
»Was muss ich tun?«, fragte er ihn.
Scarabello bedeutete ihm, sich zu gedulden.
Das Boot machte bei Rialto fest, und sie gingen zum Sottoportego des Banco Giro, einem beliebten Treffpunkt für Kaufleute und Reeder. Scarabello winkte einem gut gekleideten Mann zu und schlenderte dann zur Kirche San Giacomo di Rialto. Der Mann stieß zu ihnen, und gemeinsam betraten sie die Ruinen der Fabbriche Vecchie. Hier stank es durchdringend nach Exkrementen. Außerdem roch es nach Mörtel, luftgetrockneten Ziegelsteinen und nach altem verbranntem Holz, das nun unter dem Einfluss von Regen und sonstiger Feuchtigkeit verrottete. Ein paar Ratten, groß wie Katzen, hoben witternd die Schnauzen und huschten dann zwischen den Steinen der Mauern davon, die beim Brand geborsten und in sich zusammengefallen waren. Hinter einer halb eingestürzten Mauer und inmitten von Hausrat und Material für den Wiederaufbau blieben die drei Männer stehen.
»Ich habe den geeigneten Mann für Euch gefunden, Herr«, sagte Scarabello und zeigte auf Mercurio.
»Einen Knaben?«, fragte der Mann skeptisch.
»Wenn einer es schaffen kann, dann er«, versicherte Scarabello.
Mercurio fühlte Stolz in sich aufsteigen.
»Also gut. Zwei Groß-Oberbramsegel aus Bramtuch«, sagte der Mann. »Momentan gibt es keine zu kaufen, und mein Schiff muss in einer Woche in See stechen. Die Einzigen, die davon einen reichlichen Vorrat auf Lager haben, sind diese Halsabschneider vom Arsenal. Aber die behalten alles für sich, und für uns unabhängige Reeder …«
»Ihr seid Reeder?«, fiel ihm Mercurio ins Wort. »Habt Ihr etwa ein Schiff?«
Scarabello warf ihm einen finsteren Blick zu.
Mercurio verstummte sofort. Doch auf einmal kam es ihm so vor, als würde die ganze Angelegenheit eine neue Wendung nehmen. Stimmt, du bist bloß ein dummer kleiner Junge, dachte er und musste lächeln. Aber du hast verdammt viel Glück.
»Das ist einer meiner besten Männer«, sagte Scarabello gerade. »Er ist ein Meister der Verkleidungskunst. Glaubt Ihr etwa, das hier wäre Blut?« Er nahm ihm das Taschentuch aus der Hand und warf es in den Schmutz. Dann fuhr er mit einem Finger unter Mercurios Nase und verrieb die rote Flüssigkeit zwischen den Fingern. »Das ist Farbe.« Er lachte.
Der Reeder wusste nicht, was er davon zu halten hatte.
Mercurio grinste. »Das stimmt, edler Herr«, sagte er. »Seht her, es tut überhaupt nicht weh. Da ist gar nichts gebrochen«, und während er das sagte, bewegte er die Nase hin und her, unterdrückte den Schmerz und riss die Augen weit auf, damit sie sich nicht mit Tränen füllten.
Scarabello blickte Mercurio an, dann seine Männer und schließlich den Reeder. Dann sah er wieder zu Mercurio hinüber und nickte unmerklich. Der Junge gefiel ihm, auch wenn er von Anfang an ein unangenehmes Gefühl bei ihm gehabt hatte. Eine Vorahnung sagte ihm, dass er eines Tages seinetwegen in Schwierigkeiten kommen würde und dass sie aneinandergeraten würden.
»Ich kann dort reinkommen, wo Ihr gesagt habt«, erklärte Mercurio. »Und ich werde für Euch diese großen Kramsegel aus braunem Tuch holen.«
»Groß-Oberbramsegel aus Bramtuch«, verbesserte ihn der Reeder.
»Groß-Oberbramsegel aus Bramtuch«, wiederholte Mercurio.
»Einfach … so?«, fragte der Reeder.
»Nein. Das ist überhaupt nicht einfach«, ging Scarabello mit ernstem Ton dazwischen. »Dieser junge Mann hier riskiert viel.« Seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Wie viel seid Ihr bereit, für dieses Risiko zu bezahlen?«
»Macht es möglich, dass meine Ladung auf den Weg nach Trapezunt kommt, und Ihr werdet keinen Grund zur Klage haben«, sagte der Reeder. »Sonst noch etwas?«
»Ja«, sagte Mercurio. »Sobald ich Euch diesen Dienst erwiesen habe, werdet Ihr mir zeigen, wie man zu einem Schiff kommt.«
Scarabello und der Reeder sahen ihn verblüfft an und brachen gleichzeitig in schallendes Gelächter aus.
Als sie wieder allein waren, kehrte Scarabello zurück nach Rialto zu seinem Boot. Mercurio folgte ihm schweigend, und sie gingen an Bord.
»Wohin fahren wir?«, fragte Mercurio schließlich.
»Du weißt wirklich nicht, was das Arsenal
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