Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
und ließ ihn heftig auf die Schiffshaut krachen. Das Holz riss ächzend auf. Scarabello hob erneut den Hammer und ließ ihn noch einmal niedersausen. Krachend gab das Holz nach.
Dem alten Zuan traten die Tränen in die Augen.
»In Ordnung! Sieben!«, schrie Mercurio.
»Du bist sentimental. Das ist eine Schwäche, aber ich bewundere dich trotzdem dafür, weißt du«, sagte Scarabello und ließ den Hammer fallen. »Für heute bin ich mit den elf zufrieden«, fuhr er fort und streckte ihm wieder die flache Hand hin. »Aber sag deinem jüdischen Freund, dass ab heute ich das Geld für dich einkassiere. Ich werde dir dann später deinen Anteil geben.« Er nahm Mercurios Münzen und ließ sie klirrend eine nach der anderen in seine Börse fallen. »Ich vertraue dir«, sagte er lächelnd und gab ihm einen Klaps auf die Backe, »aber du weißt ja, was man sagt … Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.« Er kehrte zu seinem wendigen Boot zurück. Vor dem Einsteigen drehte er sich noch einmal um und zeigte auf das Wrack. »Ein wahrer Glücksgriff«, bemerkte er und brach in schallendes Gelächter aus.
Mercurio sah ihm nach. Als das Boot verschwunden war, ließ er sich zu Boden fallen und sah zu den Hütten und den Stegen links von ihm hinüber. Er starrte auf all das menschliche Elend, von dem er vor Kurzem in seinem Hochmut gedacht hatte, er hätte es überwunden. Nun jedoch kam es ihm so vor, als gäbe es daraus kein Entkommen. Nein, es würde ihm niemals gelingen, sich daraus zu befreien. Er spürte den Hass, die Wut und die Verzweiflung, die wie früher in ihm aufsteigen und wieder sein Leben bestimmen wollten.
»Ich werde ihn umbringen«, sagte er leise.
Er hörte, wie der Alte näher kam.
»Lass nicht zu, dass er dir dein Schiff wegnimmt«, sagte Zuan zu ihm.
»Deswegen werde ich ihn ja umbringen.«
»Lass nicht zu, dass er es dir … Nun, ich fürchte, er hat es dir schon weggenommen«, sagte Zuan.
»Wie meinst du das, alter Mann?«, fragte ihn Mercurio, die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen.
»Schau doch, wie du dich hingesetzt hast. Du kehrst deinem Schiff den Rücken. Deinem Traum, deiner Hoffnung«, sagte Zuan. »Der Hass hat es dir schon weggenommen.«
Mercurio hatte das Gefühl, als stünde er vor der wichtigsten Entscheidung seines Lebens. In den Worten des alten Seemanns lag eine tiefe Wahrheit. Jetzt war der Moment der Entscheidung gekommen. Und diese würde seine gesamte Zukunft bestimmen. »Aber was soll ich denn tun?«, fragte er und war sich der Bedeutung dieses Augenblicks genau bewusst.
Zuan sah ihn an und schüttelte den Kopf. »Ach, verfluchte Hurenkacke, Junge! Was bist du dumm!«, rief er. »Dreh dich um! Du musst dich einfach andersherum hinsetzen. Dein Schiff liegt dort drüben!«
61
D as ist lächerlich!«, fuhr Isacco auf und ging mit Riesenschritten vorwärts. »Das ist vollkommen lächerlich! Und das wisst Ihr auch ganz genau, Hauptmann!«
»Ich habe Erkundigungen eingezogen«, erwiderte Lanzafame ganz ruhig und holte ihn ein. »Dieser Scarabello ist gefährlich. Das ist nicht nur ein einfacher Hurenbeschützer, sondern ein richtiger Verbrecher mit einer eigenen Bande. Also hör auf mit deinem Gezeter, Doktor, und bedank dich lieber bei mir.«
Isacco drehte sich um. Hinter ihnen liefen vier von Lanzafames Männern und folgten ihnen in voller Rüstung. Weitere fünf würden unter Serravalles Führung im Laufe des Vormittags im Castelletto eintreffen. Seit Scarabello vor drei Tagen Isacco erneut bedroht hatte, wurde der fünfte Stock des Torre delle Ghiandaie bewacht. »Nicht einmal der Doge hat eine Leibgarde wie ich!«, knurrte er.
»Dann fühl dich doch einfach wie ein bedeutender Mann«, sagte Lanzafame.
»Ach, schert Euch doch zum Henker, Hauptmann.«
Lanzafame lächelte. »Was kannst du mir denn über deine Tochter berichten? Ich sehe, dass in ihrem Laden viele Leute ein- und ausgehen«, sagte er. »Vermutlich wird sie bald reicher sein als du.«
»Tja, so sieht es aus«, schnaubte Isacco.
»Dann lächle doch mal«, sagte Lanzafame und schlug ihm auf die Schulter. »Nur ein Mal, Doktor. Das ist doch gut, oder?«
Isacco unterdrückte ein Lächeln, um ihm die Genugtuung nicht zu gönnen, sagte aber: »Ich bin sehr stolz auf sie.« Dann klopfte er an seinen sehr auffälligen gelben Hut mit zwei orangefarbenen Biesen an der Seite. »Was meint Ihr wohl, warum ich dieses Etwas hier auf dem Kopf trage? Das stammt von Giuditta, sie hat es genäht und mir
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