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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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ein winziges lebloses Wesen, das zwischen zwei ausgemergelten Leichen lag.
    Mercurio schlug schnell ein Kreuzzeichen in die Luft. »Zolfo, steig mit auf den Karren und press deine Hand fest auf seine Wunde«, herrschte er ihn an. »Wie oft muss ich dir das noch sagen?«
    Während sie die belebte Straße entlangliefen, trat Benedetta zu ihm und sagte nur: »Danke.«
    Mercurio antwortete ihr nicht. Eigentlich hätte er ihr danken sollen, aber das brachte er nicht fertig.
    »Hier, nimm«, sagte Benedetta.
    Mercurio sah überrascht hinunter auf ihre Hand, in der sie den Leinenbeutel mit den Münzen hielt, den Mercurio dem Kaufmann entgegengeschleudert hatte. Schweigend nahm er das Geld wieder an sich.
    Benedetta verlor ebenfalls kein Wort.
    Sie kamen an der Kirche Santa Maria del Popolo vorbei und durchschritten die Stadtmauer an der großen Porta del Popolo. Nachdem sie noch eine Weile der Via Flaminia gefolgt waren, bogen sie nach links in Richtung Tiber ab und kamen so in eine triste Gegend, wo der faulige Gestank nach verwesenden Körpern schier unerträglich wurde.
    Vor ihnen erstreckten sich die Armengräber.
    Die Kinder der Toten, wie sie in der Stadt genannt wurden, warteten bereits auf den Karren. Kaum sahen sie ihn, setzten sie sich auch schon in Bewegung, und jeder nahm seinen Platz ein. Aber als die Älteren in dem jungen Priester Mercurio erkannten, hielten sie in ihrer Arbeit inne. Schweigend und voller Bewunderung starrten sie ihn an, wagten es kaum, ihn zu begrüßen. Benedetta und Zolfo hatten immer wieder von Pietro Mercurio aus dem Waisenhaus San Michele Arcangelo reden hören. Er war berühmt unter den Kindern der Massengräber, den Waisen, die hier arbeiteten, nachdem Scavamorto, der Totengräber der Armen, sie den Mönchen für ein paar Münzen abgekauft hatte. Man erzählte sich, dass Mercurio der Einzige sei, der Scavamorto die Stirn zu bieten vermochte. Und einer der wenigen, die fortgegangen waren.
    Mercurio begrüßte die Älteren und ordnete dann an: »Holen wir Ercole runter.«
    Schnell kletterten die Kinder auf den Karren. Sie reichten Ercole hinab, der immer blasser wurde, und legten ihn auf eine grob gezimmerte Trage aus zwei mit einem schmutzigen Tuch verbundenen Holzlatten.
    »Zur Hütte«, befahl Mercurio.
    »Was tut ihr da? Macht weiter mit Abladen, ihr Taugenichtse!«, brüllte eine kräftige Baritonstimme.
    Die Kinder, die Mercurio halfen, duckten sich instinktiv.
    »Er ist verletzt, Scavamorto«, sagte Mercurio ohne erkennbare Anzeichen von Angst vor diesem großen, hageren Mann, der auffällig bunt gekleidet war und unter dem violetten Rock in einer um die Hüfte geknoteten orangenen Schärpe einen Krummdolch nach Türkenart trug.
    Scavamorto stutzte zunächst bei Mercurios Anblick, dann verzog sich sein grimmiges Gesicht zu einem Furcht erregenden Grinsen. »Sieh an, wen haben wir denn da!«, rief er und brach in dröhnendes Gelächter aus. »Pater Mercurio, welch unverhoffte Ehre erweist Ihr uns mit Eurem Besuch.« Ohne ihn aus den Augen zu lassen, kam er näher. Und als er neben ihm stand, wobei er den Jungen um einen ganzen Kopf überragte, sah er zu Ercole hinüber. »Ach, der Schwachkopf«, sagte er, während er sich die Wunde ansah. »Den könnt ihr gleich zur Grube bringen«, fuhr er zu den Kindern gewandt fort. »Für den kann man nichts mehr tun.«
    Zolfo fing an zu weinen.
    »Hilf ihm«, bat Mercurio. »Mach ihn wieder gesund.«
    »Du hast mich wohl nicht verstanden. Für den kann man nichts mehr tun«, wiederholte Scavamorto mit einem angedeuteten Grinsen, fast so, als würde ihn dieser Umstand irgendwie erheitern.
    »Ich kann dich bezahlen«, sagte Mercurio und hielt seinem Blick stand.
    Scavamortos hageres Gesicht wurde wieder ernst. »Junge, vielleicht hast du zu viele Geschichten von diesen Jammergestalten hier gehört und glaubst jetzt selbst daran«, knurrte er ihn an. »Du kleiner Wicht kannst Scavamorto nicht kaufen«, zischte er ihn drohend an, während er den Krummdolch aus der Schärpe zog. »Wenn ich dein Geld wollte, müsste ich es mir nicht verdienen. Ich würde es mir einfach nehmen.«
    »Bitte«, flehte Benedetta.
    Scavamorto sah zu ihr hinüber. »Er ist doch der Priester, soll er doch für ihn beten, oder?«, sagte er und lachte über seinen eigenen Scherz.
    »Bitte«, sagte Mercurio.
    Scavamorto kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und blähte dazu die Nasenlöcher auf, als hätte er etwas besonders Leckeres erschnuppert. Dann ließ er seinen

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