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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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sagte Scavamorto.
    »Ich habe Angst«, sagte Mercurio noch einmal. »Vor dem Tod.«
    Scavamorto hob eine Hand voll Erde auf und warf sie in die Grube. »Du musst nicht sterben, Junge.«
    Mercurio drehte sich nicht um.
    »Aber du musst fliehen. Über die Grenzen des Kirchenstaats hinweg.«
    »Und dann?«
    »Du warst immer das schlaueste von meinen Kindern.« Scavamorto gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. »Fang irgendwo ein neues Leben an. Oder hast du etwa Angst, dir könnte der Abwasserkanal gegenüber der Tiberinsel fehlen?«
    »Du weißt, dass ich dort war?«, fragte Mercurio verwundert. »Und warum hast du mich dann nicht zurückgeholt? Du hattest mich schließlich gekauft …«
    Scavamorto lächelte, ohne zu antworten.
    Mercurio senkte den Blick.
    »Morgen früh wirst du mir den leichten Karren stehlen. Den mit den zwei Pferden, nicht den mit den Eseln, die sind zu alt und zu langsam«, sagte Scavamorto. »Zu dieser Zeit wird Ercole schon tot sein. Nimm die anderen beiden mit.«
    »Ich kenne sie ja nicht einmal …«
    »Hör endlich auf, wie ein Dummkopf zu reden«, herrschte ihn Scavamorto an. »Was hast du denn davon, wenn du so tust, als wärst du ein Holzklotz?«
    »Wie meinst du das?«
    »Na, so wie ich«, antwortete Scavamorto leichthin. »Nur weil einer allein lebt … heißt das noch lange nicht, dass er niemanden braucht.« Sanft klopfte er mit der Spitze des Zeigefingers gegen Mercurios Stirn. »Aber wenn du dich daran gewöhnst, bist du am Arsch … Dann kannst du dich nämlich nicht mehr ändern. Also, ändere dich, solange noch Zeit ist.« Er wandte sich zum Gehen. »Zolfo wird sich nicht ändern, er ist ein Schwächling. Aber das Mädchen ist aufgeweckt. Sie hat die Hölle überlebt, durch die ihre Mutter sie gejagt hat … Manchmal kann es auch ein Segen sein, wenn man an der Drehlade für Findelkinder abgegeben wird.«
    Mercurio verharrte in Schweigen.
    »Behalt dein Priestergewand. Das kann euch nützen, wenn ihr auf Räuber trefft. Geht nach Norden. Und bleibt nicht auf dem Land. Ein Betrüger aus der Stadt wie du würde sich glatt in einer Wildfalle verfangen. Es gibt zwei Orte, die für dich geeignet wären: Mailand oder Venedig.« Scavamorto ging auf seine Hütte zu. Doch nach zwei Schritten blieb er stehen und kehrte noch einmal zurück. »Eine Kleinigkeit habe ich noch vergessen. Damit du mich bestehlen darfst, musst du mich vorher bezahlen. Wie viel hast du?«
    Sie maßen einander mit Blicken, wie sie es immer getan hatten.
    »Einen Soldo«, sagte Mercurio.
    »Einen Silbersoldo?« Scavamorto spie auf den Boden.
    »Einen aus Gold«, sagte Mercurio.
    Scavamorto starrte ihn an. »Das reicht nicht. Da bräuchte es mindestens drei.«
    »Die habe ich nicht.«
    »Blödsinn.«
    »Zwei.«
    »Und den dritten legen deine Gefährten drauf.«
    »Die haben nichts.«
    Scavamorto lachte. »Du bist ein Witzbold. Du hast ihnen mit Sicherheit ihren Anteil gegeben, denn du bist ein ehrlicher Betrüger.«
    »Also gut, drei.« Auch Mercurio spuckte auf den Boden. »Halsabschneider.«
    Scavamorto hielt ihm eine geöffnete Handfläche hin, und die langen Spinnenfinger zuckten fordernd durch die Luft. Mercurio zog drei Münzen unter seinem Talar hervor.
    Scavamorto sagte so boshaft wie immer: »Letzten Endes wirst auch du sterben, Junge.«
    Mercurio blickte ihn an. Und lächelte. »Danke.«
    Scavamorto ging auf seine Hütte zu.
    Mercurio hörte, wie sich die Tür zur Baracke abrupt öffnete. Dann zerriss ein obszöner Laut die Stille, eine Mischung aus einem Rülpser und einem Hustenanfall. Und gleich darauf schrie Zolfo: »Nein!«
    »Der Tod hat ihn früher gepackt als erwartet«, sagte Scavamorto. »Los, verschwinde, und zwar gleich, Junge.« Und damit zog er die Tür der Hütte zu.
    Im Dunkel der Nacht überlief Mercurio ein Schauder.
    Er ging zum Gatter und nahm die Zügel der zwei kleinen, untersetzten Pferde, die bereits vor den Karren gespannt waren, mit dem Scavamorto sonst durch die Straßen Roms fuhr. Er führte sie bis zu der Baracke, in der die Kinder der Toten sich aufhielten. Dann trat er ein. »Ercole wird nicht nackt in der Grube landen«, sagte er laut und betonte dabei jede einzelne Silbe. »Er war einer von uns.«
    Die Kinder der Toten nickten bedächtig.
    Man hörte nichts als Zolfos unterdrücktes Schluchzen.
    Mercurio ging zu Benedetta und Zolfo. »Ihr kommt mit mir.«

8
    S obald der Predigermönch und seine zerlumpte Schar Bauern an ihnen vorübergezogen waren, bedeutete Isacco

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