Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
das Zimmer, in dem alle Prostituierten lagen, die für außer Gefahr befunden wurden. Er verließ den Raum und ging zum Geländer am Treppenabsatz. Dort sah er Donnola, der sich mit zwei der Wachsoldaten unterhielt.
»Hattest du nicht gesagt: ›Wer Zeit hat, soll keine verlieren‹?«, sagte Isacco zu ihm.
»Und hattet Ihr nicht gesagt: ›Ruh dich ein Weilchen aus‹?«, erwiderte Donnola.
»Das war nur Spaß«, erklärte Isacco.
»Genau wie bei mir, Doktor«, antwortete Donnola. »Ja gut, ich geh ja schon.« Er tat brummig und machte sich gemächlich an den Abstieg. Aber er hatte noch nicht einmal die Hälfte der ersten Treppe hinter sich gelassen, als er erstarrte und ängstlich stammelte: »Sca … Scarabello …«
Kaum hatte Hauptmann Lanzafame den Namen gehört, rannte er, gefolgt von zwei Soldaten mit gezückten Waffen, die Treppe hinunter. Isacco folgte ihnen besorgt.
»Na, das ist doch mal ein Begrüßungskomitee«, sagte Scarabello grinsend und nicht im Mindesten eingeschüchtert von den Waffen der Soldaten.
»Was willst du?«, fragte ihn Lanzafame.
»Ich habe gehört, dass es hier gestern einen kleinen Zwischenfall gegeben hat«, erwiderte Scarabello freundlich lächelnd.
Aus allen Türen kamen die Huren und ihre Freier und scharten sich neugierig um sie.
Scarabello stand vor ihnen wie ein gefeierter Schauspieler in seiner Paraderolle. »Meine Männer haben meine Befehle wohl zu wörtlich genommen, als ich ihnen sagte, ich wollte den fünften Stock zurück«, sagte er immer noch lächelnd. Er sah Isacco an. »Ich denke, jetzt ist es an der Zeit, dass wir uns wie Ehrenmänner benehmen und eine Lösung aushandeln, die beide Seiten zufriedenstellt, was meint Ihr?«
»Ich denke, du solltest dich schleunigst aus dem Staub machen«, knurrte Lanzafame ihn an.
»Der diplomatische Dienst wäre sicher nichts für Euch, Hauptmann!«, scherzte Scarabello.
»Reicht es dir denn nicht, dass du deine Männer verloren hast? Hast du immer noch nicht begriffen, dass wir Soldaten sind und uns nicht zum Narren halten lassen?« Lanzafame packte Scarabello am Kragen. Der Verband an seiner Schulter färbte sich rot.
Scarabello verzog keine Miene. Er tippte nur leicht auf die Schulter des Hauptmanns, wo die Wunde wieder zu bluten begonnen hatte. »Vielleicht solltet Ihr Euch nicht so aufregen. Ist es nicht so, Herr Doktor?«, wandte er sich an Isacco.
»Verschwinde, ich will dich hier nicht haben!«, knurrte Lanzafame und packte fester zu.
»Fasst mich nicht an!«, sagte Scarabello, und er klang jetzt nicht länger freundlich.
Lanzafame ließ seine Faust auf Scarabellos Mund niedersausen. »Verschwinde, du Wurm!«
Scarabello steckte den Schlag ein, ohne zurückzuzucken. Er leckte sich nur langsam und aufreizend über die aufgeplatzte Lippe.
Daraufhin war es um Lanzafames Fassung geschehen. Er stürzte sich mit aller Wucht auf ihn, traktierte ihn mit Schlägen und trat auf ihn ein, nachdem Scarabello zu Boden gegangen war. Er hätte ihn ganz sicher umgebracht, wenn seine Männer ihn nicht zurückgehalten hätten.
Scarabello stand blutend auf. Als er sein schwarzes Hemd zurechtzupfte, sah er, dass es zerrissen war. Er ordnete seine Haare und warf Lanzafame einen durchdringenden, kalten Blick zu. Dann ließ er seine Augen über die Brüstung des Torre delle Ghiandaie schweifen. Die Huren hielten den Atem an, als wohnten sie einer Theateraufführung bei. »Wir hätten eine Lösung finden können!«, schrie Scarabello plötzlich, breitete die Arme aus und drehte sich einmal um sich selbst. Dann kehrte er langsam zu Lanzafame zurück und zischte drohend, während das Blut auf seiner Lippe sich mit Speichel mischte. »Aber du wolltest mich demütigen. Vielleicht bist du ja ein guter Soldat, aber ganz bestimmt wärst du ein miserabler General. Du hast mir keinen Ausweg gelassen. Und das ist keine gute Strategie.«
Er wich einen Schritt zurück und sah sich nach seinem Publikum um. »Wenn ich dir das durchgehen ließe, würde ich mein Gesicht verlieren, und jede dieser Huren, jeder dieser Freier, ja selbst ein kleiner Rotzlöffel, der sich gerade sein erstes Messer gekauft hat, würde glauben, mir auf der Nase herumtanzen zu können. Wenn ich dir das durchgehen ließe, müsste ich an tausend Fronten kämpfen.« Er holte Atem und brüllte: »Von nun an herrscht Krieg!«
Lanzafame packte ihn wieder am Kragen.
Doch Scarabello ließ sich nicht zum Schweigen bringen: »Du wirst bald herausfinden, dass dieser Krieg etwas
Weitere Kostenlose Bücher