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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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anderes ist als die albernen Scharmützel, an die du gewöhnt bist. Für Leute wie mich ist Krieg eine ernste Sache. Da gelten keine Regeln! Alles ist erlaubt!«
    Lanzafame stieß ihn vor sich her.
    »Du glaubst, du bist ein erfahrener Kämpfer«, sagte Scarabello, »aber bald wirst du merken, dass du im Grunde nicht mehr bist als ein blutiger Anfänger.« Er verbeugte sich demonstrativ und wandte sich zur Treppe.
    »Lass dich hier nie wieder sehen, du Wurm!«, brüllte ihm Lanzafame nach.
    »Oh, da kannst du dir sicher sein«, sagte Scarabello, ohne sich umzudrehen. Er lachte leise, als würde er sich tatsächlich amüsieren, und verschwand über die Treppe.
    »Verdoppelt die Wachen«, befahl Lanzafame Serravalle.
    Donnola sah Isacco an, und als der ihm zunickte, hob er den Sack mit den Binden wieder auf seine Schultern.
    Isacco lief ein Schauer über den Rücken, wie eine düstere Vorahnung. Am liebsten hätte er Donnola aufgehalten. Aber sie benötigten dringend neue Verbände. Deshalb nickte er zurück. Und während er ihm nachsah, dachte er, wie gern er ihn hatte.
    Donnola fühlte, wie seine Beine zitterten. Seit Tagen verlangte er seinem Körper mehr ab, als er zu leisten vermochte. Doch er wusste, dass es die letzten Tage waren, die er dem Doktor noch helfen konnte. Er hatte es nicht über sich gebracht, ihm etwas zu erzählen. Vielleicht weil er sich schämte. Scham und Verlegenheit hatten ihn überwältigt, als er eines Morgens vor wenigen Tagen eine der ihm inzwischen so vertrauten Wunden an seinem eigenen Körper entdeckt hatte. Zunächst hatte er sich noch eingeredet, es wäre nur eine vorübergehende Reizung. Doch am nächsten Tag war die Wunde immer noch da gewesen, ja, sie war sogar noch größer geworden. Und inzwischen kannte er diese Wunden genau. Schließlich sah er sie jeden Tag, säuberte und behandelte sie. Das war die französische Krankheit.
    »Was ist, Donnola, wollen wir unsere Unterhaltung fortsetzen?«, sagte da eine Stimme hinter ihm, während er zum Boot am Riva del Vin ging.
    Donnola spürte, wie ihm das Blut in den Adern gefror. Er brauchte sich nicht erst umzudrehen, um zu wissen, wer ihn angesprochen hatte. Eine starke Hand packte ihn im Genick.
    »Du hast doch nichts gegen einen kleinen Spaziergang mit uns?«, fragte ihn Scarabello.
    Der Einäugige und ein zweiter von Scarabellos Leuten packten ihn bei den Armen und zwangen ihn weiterzugehen.
    »Ich muss … das hier … abgeben«, stammelte Donnola und zeigte auf den Sack.
    Scarabello riss ihm das Bündel aus der Hand und ließ es mitten auf der Gasse liegen. »Siehst du? Schon geschehen.«
    Kaum waren sie weitergegangen, wühlten auch schon einige kleine Jungen in dem Sack, und als sie die Verbände fanden, zerrten sie sie heraus, schwenkten sie wie Fahnen und verfolgten einander.
    »Bitte, Scarabello …«, wimmerte Donnola.
    »Bitte was?«
    »Ich tue doch nichts Böses …«
    »Vielleicht ist das so, Donnola. Vielleicht ist es genau so«, sagte Scarabello. Er klang verständnisvoll und strich Donnola dabei über den kahlen Schädel. »Aber ich muss ein Exempel statuieren. Das verstehst du doch, oder?«
    »Bitte …«
    »Tut mir leid, Donnola«, erklärte Scarabello ernst. »Du hast gesehen, was man mir angetan hat. Sieh dir mein Gesicht an. Versuch doch mich zu verstehen.« Auf sein Zeichen hin drängten seine Leute Donnola hinter die Kirche San Giacomo. Als sie die Fabbriche Vecchie erreicht hatten, drangen sie weiter vor, bis sie einen verlassenen Winkel fanden. Dort hielten sie an, und Scarabello holte sein langes Messer aus dem Gürtel. »Tut mir leid«, wiederholte er.
    Donnola starrte Scarabello an, der mit dem Messer an der Seite auf ihn zukam. Sein ganzes Leben lang hatte er vor allem und jedem Angst gehabt, obwohl er als Soldat in den Krieg gezogen war. Doch nun, da er auf einmal dem Tod ganz unmittelbar in die Augen sah, fürchtete er sich nicht mehr. Und er begriff auch, warum das so war: Weil ihm diese Wunde in den letzten Tagen geholfen hatte, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen. Doch da war mehr, viel mehr. Danke, oh Herr, dachte er. Ich habe ja nicht gewusst, welch wunderbares Geschenk du mir gemacht hast. Er sah Scarabello an, der nur noch einen Schritt von ihm entfernt war, sah sein zerschlagenes Gesicht und die Lippe, die durch Hauptmann Lanzafames Faust aufgeplatzt war, er sah den Riss und das sich bereits verkrustende Blut. Lächelnd versenkte er eine Hand in seiner Hose. Er bohrte die Nägel tief in seine

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