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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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noch größere Menschenmenge versammelt.
    »Hexe!«, schrien die Menschen. »Hexe!«
    Giuditta wandte sich um und sah, dass Isacco ihr folgte. Er war in sich zusammengesunken und wirkte wie ein alter Mann. Er schaute sie an und blickte sich hilfesuchend um, obwohl er wusste, dass niemand ihm helfen würde.
    »Es ward Gerechtigkeit!«, schrie der Heilige und lief allen voran, als befände er sich an der Spitze einer Prozession. Dabei hielt er seine Hände so ins Licht, dass es durch die Stigmata fiel. »Es ward Gerechtigkeit! Gelobt seist du, mein Gott!«
    »Hexe! Hexe!«, schrie die Menge immer aufgebrachter.
    Ein junger Mann hob einen Stein auf und schleuderte ihn auf Giuditta.
    Diese spürte einen heißen Schmerz an der Stirn und fiel wieder zu Boden.
    »Steh auf!«, herrschte der Kommandant der Wachen sie an.
    Giuditta versuchte sich zu erheben, doch die Beine versagten ihr den Dienst. Sie spürte, wie ihr etwas warm die Stirn hinunterrann. Etwas Dichtes, Rotes lief vor ihren Augen herunter und trübte ihr den Blick.
    »Hexe! Hexe!«, riefen die Leute um sie herum weiter.
    Noch ein Stein traf sie im Rücken, und dann einer am Kinn.
    »Geht beiseite!«, sagte plötzlich eine kräftige, befehlsgewohnte Stimme.
    Giuditta merkte, dass jemand sie am Arm nahm und stützte.
    »Mischt Euch da nicht ein!«, sagte der Beamte der Republik Venedig drohend.
    Hauptmann Lanzafame zog sein Schwert.
    Der Kommandant tat es ihm nach.
    »Es wurde aber auch langsam Zeit, dass du dich darauf besinnst, dass du eine Waffe trägst«, sagte Lanzafame zu ihm, ohne Giuditta loszulassen, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.
    »Hast du gehört, was er gesagt hat? Misch dich da nicht ein!«, rief der Kommandant der Wachen.
    »Es ist meine Aufgabe, mich um die Juden zu kümmern«, erwiderte Lanzafame. »Und da du anscheinend deine Gefangenen nicht zu schützen weißt und zulässt, dass sie ohne einen gerechten Prozess von der blutdürstigen Meute in Stücke gerissen werden, solltest du lieber verschwinden!«
    »Im Namen der Erlauchtesten Republik Venedig …«, begann der Beamte.
    »Im Namen der Erlauchtesten Republik Venedig?«, unterbrach Lanzafame ihn laut. »Wenn diesem Mädchen auch nur ein Haar gekrümmt wird, wenn du zulässt, dass sie nicht dort ankommt, wohin du sie bringen sollst, dann reiße ich dir den Kopf ab, bei Gott! Aber vorher zeige ich dich beim Dogen höchstpersönlich wegen Pflichtvergessenheit an! Und zwar im Namen der Erlauchtesten Republik Venedig!«
    Der Beamte sah den Kommandanten der Wachen an. Dessen Blick fiel auf Lanzafames Soldaten, die sie eingekreist und die Hände an die Waffen gelegt hatten. Er bemerkte die Blessuren an ihren Körpern und begriff, dass da wahre Kämpfernaturen vor ihm standen.
    »Beschützt die Gefangene!«, ordnete er an, und die Wachen umringten Giuditta.
    »Wird es gehen?«, fragte Lanzafame das Mädchen.
    Giuditta sah ihn an. Gerade noch hatte sie sich geschworen, dass die Angst nicht die Oberhand über sie gewinnen würde. Aber auf all das war sie nicht vorbereitet. »Ich bin so dumm«, sagte sie leise, »warum bin ich nicht viel früher mit Mercurio geflohen?«
    »Was sagst du?«, fragte Lanzafame.
    »Überlass sie uns«, herrschte der Kommandant der Wachen ihn an.
    Lanzafame wandte sich an seine Männer. »Schutzaufstellung!«, befahl er.
    Die Soldaten bildeten einen Ring um die Wachen. Zwei von ihnen gingen voran und bahnten der Gruppe einen Weg durch die Menge, zwei blieben am Ende des Zuges zurück. Serravalle und die übrigen Soldaten hielten sich an den Seiten. Und so wirkte es, als sei Giuditta die Gefangene der Wachen und die wiederum Gefangene von Lanzafames Soldaten.
    »Du Soldat Satans!«, schrie der Heilige.
    Lanzafame starrte ihn an, ohne etwas darauf zu erwidern. Als er an dem jungen Mann vorbeikam, der den ersten Stein auf Giuditta geworfen hatte und nun einen weiteren in der Hand hielt, schlug er ihm wütend den Griff seines Schwerts ins Gesicht. Der junge Mann sank bewusstlos zu Boden, und ein Blutfaden lief ihm aus der Nase und von der aufgeplatzten Lippe herunter.
    Die Menge beruhigte sich allmählich. Dennoch folgten die Menschen dem Zug bis zum Markusplatz, und dort wurden sie wieder lauter und lauter.
    »Hexe! Hexe!«, erschallten wütende Rufe.
    Lanzafames Soldaten zückten ihre Schwerter und hielten sie gut sichtbar bereit, bis der Zug den Eingang zu den Kerkern des Dogenpalastes erreicht hatte.
    »Hier könnt Ihr nicht hinein«, sagte der Kommandant

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