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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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des Klosters, während die Messknaben seine purpurrote Schleppe trugen.
    Doch die Menge hatte nur Augen für Pater Venceslao.
    Unter all den Leuten, die den Dominikanermönch mit den weißlich getrübten Augen anstarrten, der den Verlauf des Prozesses vollkommen auf den Kopf gestellt hatte, sah ihn ein Mann mit größter Bewunderung an. Er stand ein wenig abseits, weil er nicht auffallen wollte, und hatte trotz der großen Hitze eine Kapuze über den Kopf gezogen. Er starrte Pater Venceslao mit brennenden Augen an, während seine Finger an einer seltsamen, wie eine Münze geformten Narbe mitten auf seiner Kehle zupften.

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    Z wei Tage später drängte noch mehr Volk in den Kapitelsaal des Klosters der Heiligen Kosmas und Damian. Die Nachricht von der spektakulären Wende hatte ein Vielfaches an Menschen angezogen, alle bebten vor Neugier auf diesen Prozess im Prozess, der sich vor zwei Tagen angekündigt hatte.
    Auch Shimon war in der Menge, um die Verhandlung zu verfolgen. Doch sein Interesse war anders geartet als das der übrigen Zuschauer.
    Das erste Mal, als er in die armselige Hütte des alten Seemanns gespäht hatte, war Shimon überzeugt gewesen, dass da in dem Topf auf dem Ofen ein warmes Essen vor sich hin köchelte. Erst als er im Morgengrauen des folgenden Tages noch einmal nach Mercurio sah, hatte er bemerkt, dass dieser eine klebrige Masse aus dem Topf holte und damit sein ganzes Gesicht und den Hals bestrich. Verblüfft hatte er dann dessen Verwandlung verfolgt. Er hatte beobachtet, wie Mercurio die Perücke mit der falschen Tonsur aufsetzte, sich ausstopfte, um dicker zu wirken, und sich einen Stock ans Knie band, um so einen steifen, hinkenden Gang vorzutäuschen. Dann hatte er gesehen, wie der Junge mit roter Farbe die Pusteln auf seinem Kopf anmalte, sich eine feine Schicht Pech auf die Zähne auftrug, damit diese alt und löchrig aussahen, und schließlich war er Zeuge des Tricks mit dem Fischdarm geworden
    Shimon war überrascht und fasziniert gewesen. Und er hatte bemerkt, dass es dem alten Mann genauso erging, wenngleich Mercurio ihn vorher in seinen Plan eingeweiht haben musste.
    Auch an diesem Morgen war Shimon Pater Venceslao von Zuan dell’Olmos Hütte bis in den Kapitelsaal gefolgt. Seit Tagen schon kostete er in Gedanken den Augenblick seines Todes aus, den er jedoch noch hinauszögerte. Er empfand eine gewisse Hochachtung für Mercurio. Obwohl er schließlich nur ein Junge war, gelang es ihm, ein ganzes Inquisitionsgericht nach seinem Belieben zu lenken.
    Shimon hatte sich einen Platz an der Wand nahe einer Säule gesucht, hinter der er sich gut verbergen konnte. Er sah auf die schmale Tür, aus der die Hauptpersonen dieser Posse kommen mussten, angefangen beim Patriarchen von Venedig. Doch als er hinter sich einige Aufregung vernahm, wandte auch er sich in diese Richtung.
    Und er sah, wie sich ein kleiner Trupp Wachen des Dogen sich seinen Weg durch die Menge bahnte, um einige vornehme Damen in den Saal zu geleiten, allen voran eine verhärmte ältere Adlige, die stolz und unnahbar wirkte. Dahinter folgten andere, jüngere Edeldamen, die hochmütig geradeaus starrten und so ihren Unmut verbargen, sich gleichsam unter das Volk mischen zu müssen.
    Unter dem Murren der Leute, die weichen mussten, räumten die Wachen ohne viel Federlesen die ersten beiden Bankreihen frei. Dann ließ man die Damen in der ersten Reihe Platz nehmen, und die Wachen setzten sich zu ihrem Schutz in die Reihe dahinter.
    Der Gerichtsschreiber ließ sein kleines Glöckchen erklingen, um für Ruhe zu sorgen. Die Menge verstummte. Shimon wandte sich wieder der Seitentür zu, die nun der Patriarch durchschritt. Dann folgten der venezianische Adlige, der immer an seiner Seite saß, die gewohnte Schar von Geistlichen und Messknaben, der Ankläger und schließlich Mercurio als Pater Venceslao verkleidet.
    Giuditta hatte man bereits in ihren Käfig eingeschlossen. Ohne besonderen Grund allerdings, denn an diesem Prozesstag ging es nicht um sie. Sie wurde nur ausgestellt wie ein fremdartiges Tier.
    Kurz darauf sah Shimon, wie zwei Wachen das Mädchen mit den kupferroten Haaren hereinführten, das es ihm so angetan hatte. Sie trug ein armseliges, zerknittertes Kleid mit ausgefranstem Saum und ging mit gesenktem Kopf vorwärts. Die Haare fielen ihr ohne jeden Schmuck auf die Schultern. Als Shimon sie so schwach und niedergedrückt sah, erschien sie ihm noch sinnlicher, und er begehrte sie umso mehr.
    Er drehte sich nach

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