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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Finger einen Wappenring zu erkennen. Mit einem doppelköpfigen Adler.
    »Wer kann das sein?«, fragte Tonio.
    Mercurio antwortete nicht. Er sah nur, wie die Gondel das Hospital ansteuerte.
    Das Boot legte an, der Gondoliere sprang heraus und vertäute es an einem Pfahl zwischen den Binsen. Dann beugte er sich zur Tür des überdachten Teils. »Wir sind da, Exzellenz. Wollt Ihr gehen?«, fragte er.
    »Noch nicht«, antwortete ihm eine Stimme aus dem Inneren der Gondel.
    Der Gondoliere schwieg. Und wartete zwei Stunden, ohne sich von der Stelle zu rühren.
    Dann richtete der Mann in der Gondel erneut das Wort an ihn: »Sind die Lichter gelöscht?«
    »Ja, Exzellenz.«
    »Hilf mir hinaus.«
    Der Gondoliere öffnete die Tür und hielt das Boot ruhig. Dann reichte er dem Mann einen Arm.
    Der Mann verließ die Gondel, und während der Gondoliere ihm folgte, näherte er sich unsicher dem Hospital. An der Tür blieb er noch einmal zögernd stehen, als wollte er umkehren. Doch dann wandte er sich dem Gondoliere zu und befahl ihm, am Boot auf ihn zu warten.
    Vorsichtig betrat der Mann das Hospital. Nur ein paar wenige Kerzen erleuchteten den Raum mit ihrem spärlichen Licht. Alle schliefen, bis auf einen Kranken ganz hinten links, der in einem Buch las. Der Mann näherte sich ihm und blieb dann schweigend vor ihm stehen.
    Scarabello blickte von seinem Buch auf. Sein Blick wirkte leer, in Gedanken verloren. Doch er erkannte seinen Besucher sofort. »Jacopo …«, sagte er leise.
    »Ciao, Scarabello«, antwortete Giustiniani.
    Scarabello starrte ihn an und legte sich instinktiv eine Hand vor den Mund, um die entstellte Lippe zu verbergen. Doch dann senkte er sie langsam wieder. Sein Blick wurde zynisch und hart. »Bist du gekommen, um mich sterben zu sehen?«
    Giustiniani betrachtete ihn im schwachen Schein der Kerzen. »Nein …«, sagte er dann, »ich bin gekommen, um mich von dir zu verabschieden.«
    Scarabellos eisblaue Augen verengten sich zu Schlitzen. Vor Überraschung. Und aus Furcht.
    »Darf ich mich setzen?«, fragte Giustiniani.
    Scarabello rückte mühevoll ein wenig zur Seite, ohne ein Wort herauszubringen.
    Giustiniani setzte sich auf den Rand der Pritsche.
    Schweigend betrachteten sie einander.
    »Der Junge hat es dir erzählt, nicht wahr?«, fragte Scarabello schließlich.
    Giustiniani nickte.
    »Das hätte er mir nicht antun dürfen«, sagte Scarabello bitter.
    »Ich bin froh, dass er es mir erzählt hat.«
    Beide Männer verfielen wieder in Schweigen und sahen einander aufmerksam an.
    »Ekelst du dich vor mir?«
    »Nein …«
    »Du warst schon immer ein erbärmlicher Lügner.«
    Giustiniani schwieg.
    »Ich will dein Mitleid nicht«, sagte Scarabello.
    Giustiniani starrte ihn weiter durchdringend an. Seine blauen Augen schienen im flackernden Kerzenschein zu funkeln. »Stolz war immer dein schlimmster Fehler«, sagte er. »Ich empfinde kein Mitleid.«
    »Was dann?«, fragte Scarabello ein wenig unsicher.
    »Schmerz.«
    Scarabellos Blick wanderte durch den Raum. »Was hast du dir nur dabei gedacht hierherzukommen?«, brummte er. »Ein Mann in deiner Stellung kann sich doch an einem solchen Ort nicht blicken lassen.«
    »Bist du jetzt fertig?«, fragte Giustiniani.
    Scarabello seufzte. »Ja …«
    »Gut.«
    Wieder senkte sich Schweigen auf sie herab.
    »Wirst du dem Jungen auch noch helfen, wenn ich tot bin?«, fragte Scarabello nach einer Weile.
    »Warum hängst du so an ihm?«
    Scarabello sah Giustiniani an. »Es ist nicht so, wie du denkst.«
    »Nein?«
    »Nein«, erwiderte Scarabello. Und dann sagte er leise, als müsste er ein furchtbares Verbrechen gestehen: »Niemand hätte je deinen Platz einnehmen können.«
    Die Hände der beiden Männer näherten sich einander und berührten sich, aber nur ganz leicht. Schließlich waren sie Männer.
    »Und warum dann?«, fragte Giustiniani nach.
    »Weil er ein wenig so ist wie wir beide. Er träumt von einer Freiheit, die es nicht gibt …«
    Giustiniani nickte bewegt. »Ich werde ihm helfen, wenn ich die Gelegenheit dazu habe.«
    »Du musst tun, was ich sage … Vergiss nie, dass ich dich an den Eiern habe …«, sagte Scarabello, dem das Sprechen sichtlich Mühe bereitete.
    Giustiniani lächelte. »Angeber.«
    Wieder schwiegen sie.
    »Hast du große Schmerzen?«, fragte Giustiniani nach einer Weile.
    Scarabello zuckte nur die Achseln. »Ich habe immer geglaubt, dass ich durch einen Messerstich in den Rücken sterben werde …«, sagte er. »Den Schmerz habe ich nie

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