Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
machte einen Schritt auf sie zu.
»Verschwinde …!«, rief Mercurio ihr ungehalten zu und versuchte sich aufzusetzen.
Doch Benedetta beachtete ihn nicht. Sie sah weiter nur Giuditta an und hatte den Mund leicht geöffnet, als wollte sie etwas sagen.
Alle Augen waren auf sie gerichtet.
»Es tut mir leid …«, setzte Benedetta schließlich an.
»Hör nicht auf sie, Giuditta!«, stieß Mercurio wütend hervor. »Los, verschwinde endlich, Benedetta … Hast du noch nicht genug angerichtet?«
Benedettas Blick ruhte immer noch auf Giuditta.
Und Giuditta sah die Qual in den Augen ihrer Rivalin. Behutsam legte sie Mercurio eine Hand auf die Brust, um ihm zu verstehen zu geben, er solle schweigen.
»Es tut mir leid …«, wiederholte Benedetta leise.
»Sie lügt! …«, rief Mercurio mit kraftloser Stimme und fasste mühsam nach Giudittas Hand.
»Ich kann ihr nichts mehr tun … Sieh mich doch an …«, sagte Benedetta und wandte sich kurz Mercurio zu. Sie breitete die Arme aus, wie um ihr neues, altes Elend zu zeigen.
Und Giuditta nickte Benedetta zu. Nur ein einziges Mal und fast unmerklich.
Benedetta spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Sie nickte Giuditta ebenfalls kurz zu, mit dem Quäntchen Würde, das ihr geblieben war, dann hauchte sie kaum hörbar ein einziges Wort: »Danke.«
Giuditta sah sie noch einen Moment an, doch ganz ohne jeden Groll. Und auf einmal fühlte sie sich wie befreit. Sie wandte sich zu Mercurio um und schenkte ihm ein zuversichtliches Lächeln.
Als Benedetta erneut schmerzvoll erkannte, wie stark das Band zwischen ihnen war, wich sie unwillkürlich einen Schritt zurück. Dann wandte sie sich um und ging langsam davon.
»Legt ihn ins Boot, wir müssen uns beeilen«, sagte Lanzafame und wies auf Mercurio. Sogleich nahmen seine Männer ihn hoch und trugen ihn zum Boot. Isacco, Giuditta, Zuan und Zolfo gingen an Bord, und Lanzafame folgte ihnen, nachdem er sich von seinen Männern verabschiedet hatte. Als sie alle auf dem Schiff waren, wandte einzig Zolfo sich noch einmal um und sah Benedetta unschlüssig hinterher.
Und während die Leinen gelöst wurden, musste er unwillkürlich daran denken, wie sie nach ihrer Flucht aus Rom alle gemeinsam in Mestre angekommen waren. Er dachte daran, wie Benedetta dort am Hafen, als er sich entschieden hatte, bei Fra’ Amadeo zu bleiben, ohne zu zögern über die Reling gesprungen und ihm gefolgt war. Sie hatte auch versucht, ihn vor dem Mönch zu warnen und ihn aus seinen Klauen zu befreien. Da war sie noch ein anderer Mensch gewesen, ohne diesen kaltherzigen Blick.
Da traf er eine Entscheidung – und sprang aus dem Boot ans Ufer.
»Zolfo … Was tust du da …?«, fragte Mercurio und warf ihm einen verwirrten Blick zu.
Zolfo blickte zurück, und zum ersten Mal seit langer Zeit lag in seinen Augen so etwas wie ein Hoffnungsschimmer. Vielleicht konnten er und Benedetta gemeinsam noch einmal von vorn anfangen. Vielleicht hatte ja auch sie sich verändert nach allem, was passiert war. Er blickte auf die Calle dei Fuseri, wo Benedetta sich mit hängenden Schultern langsam entfernte.
»Sie ist allein, Mercurio«, sagte er und schüttelte den Kopf, als müsste er sich entschuldigen. »Sie braucht mich …«
Mercurio versuchte mühsam, sich aufzusetzen, und als Isacco ihn daran hindern wollte, schob er ihn zur Seite. Er sah Zolfo eindringlich an. »Geh …«, sagte er dann.
In Zolfos Augen standen Tränen. Er hatte Angst, und doch spürte er mit einem Mal ein leises Glücksgefühl in sich aufsteigen. »Danke«, sagte er leise.
»Nun lauf schon …«, befahl ihm Mercurio lächelnd.
Zolfo erwiderte sein Lächeln, dann wandte er sich mit einem Ruck ab und rannte über den von der Sommerhitze getrockneten Schlamm. »Benedetta, warte auf mich!«, rief er ihr nach.
Mercurio wandte sich Giuditta zu, deren Blick schon die ganze Zeit auf ihm ruhte. Er wusste, woran sie dachte: Sie erinnerte sich ebenfalls an den Tag ihrer Ankunft in Mestre und wie er sie auf dem Schiff der Helden von Marignano zurückgelassen hatte und von Bord gesprungen war, um bei seinen Freunden zu bleiben. Lächelnd schüttelte er den Kopf. »Nein, keine Sorge … Diesmal springe ich nicht …«
»Dafür würde dir auch die Kraft fehlen«, bemerkte Lanzafame mit einem Grinsen, während das Boot langsam ablegte.
Mercurio sah Giuditta ernst an und sagte: »Denn nun weiß ich, wo mein Platz ist.«
Giuditta nahm seine Hand und warf einen letzten Blick hinüber zur
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