Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
und sagte mit fester Stimme. »Nun bin ich beruhigt. Sie wird sich gut um dich kümmern.«
Giuditta spürte einen Kloß im Hals. Sie vermied es, Anna anzuschauen, um nicht haltlos in Tränen auszubrechen.
Auch Anna schien mit den Tränen zu kämpfen, als sie nun Mercurio beinahe grob das verschwitzte Haar streichelte. Als ihre Hand dabei auch seine Stirn berührte, merkte sie, dass sie ganz heiß war.
»Du glühst ja«, sagte sie besorgt.
»Natürlich glüht er! Er hat schließlich Fieber!«, rief Isacco aus. »Was für eine Überraschung!«
Anna blickte zu Giuditta hinüber. »Hast du ein Glück, dass du hier wegkommst«, sagte sie. »Ich dagegen muss ihn weiter ertragen.«
Giuditta lachte, nur um gleich darauf erneut in Tränen auszubrechen. Sie umarmte ihren Vater.
Isacco drückte sie an sich. »Du bist und bleibst mein kleines Mädchen«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Vergiss das nie.«
Giuditta nickte unter Schluchzern.
»Es tut mir ja leid, dass ich hier der Spielverderber sein muss, aber wenn wir nicht langsam losfahren, werden sie uns noch finden …«, mahnte Lanzafame.
Isacco löste sich von Giuditta und starrte ihn an: »Habt Ihr gerade gesagt, wenn wir nicht langsam losfahren, Hauptmann?«, fragte er ihn verblüfft.
»Ich habe Venedig hintergangen«, erklärte Lanzafame. »Nicht dass es mir leidtut … aber offen gesagt, möchte ich meinen Kopf gern noch ein paar Jahre auf den Schultern behalten.« Er ließ seinen Blick über Mercurio und die übrige Schiffsbesatzung schweifen. »Außerdem braucht dieser Haufen hier jemanden, der weiß, wie man ein Schwert führt.«
Isacco fühlte sich vom Schmerz überwältigt. »Dann verliere ich heute also noch einen weiteren Menschen«, sagte er traurig. »Nun gut, dann vertraue ich sie auch Euch an«, sagte er und deutete auf Giuditta.
Lanzafame nickte ernst. »Ich schulde dir noch etwas, Doktor. Du hast mich schließlich geheilt.«
»Wovon?«, fragte Isacco erstaunt.
»Von der Knechtschaft des Weines.«
»Das ist ausschließlich Euer Verdienst, Hauptmann«, erwiderte Isacco.
»Nein«, widersprach Lanzafame. »Du hast mir den Weg aufgezeigt.«
»Immer schön ein Tag nach dem anderen …«, erinnerte sich Isacco lächelnd und nickte dann befriedigt. »So geht es, nicht wahr?«
»So geht es.«
In der allgemeinen Stille sahen die beiden Männer einander lange an, und alle Anwesenden spürten, wie stark und aufrichtig ihre Freundschaft war.
»Hier, Mercurio, häng dir das um«, unterbrach Zuan, der plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht war, die feierliche Stimmung. Mosè bellte fröhlich dazu.
Isacco drehte sich zu ihm um, und einen kurzen Moment war er sprachlos.
»Das glaube ich nicht …«, rief er dann aus.
Zuan hielt ein abgenutztes, vom Zahn der Zeit geschwärztes Lederband in der Hand, an dem ein speckiges Ledersäckchen hing.
»Das glaube ich nicht …«, wiederholte er.
Giuditta lächelte genauso überrascht wie er.
»Deine Medizin ist nichts im Vergleich zu diesem Amulett«, erklärte Zuan Isacco stolz. »Der das gemacht hat, das war ein wahrer Doktor von echtem Schrot und Korn, nicht so einer wie du. Dank diesem Säckchen habe ich in all den Jahren auf See nie Skorbut bekommen. Es heißt …«
»… Qalonimus …«, flüsterte Isacco.
»Ach, du kennst es also auch?«, sagte Zuan befriedigt. Er wandte sich wieder an Mercurio: »Du musst wissen, dass dieses wundertätige Amulett von einem Arzt geschaffen wurde, der den letzten Willen einer von Heiden gemarterten Heiligen erfahren hatte und dann …«
»Wie kannst du nur an solchen Unsinn glauben …?«, lachte Isacco ihn aus.
»Ich glaube daran«, meldete Giuditta sich zu Wort. »Vater, merkst du denn nicht, dass Ha-shem uns segnet, dass er uns ein Zeichen schickt?«, sagte sie mit einem Lächeln. »Vielleicht ist es ja der letzte verbliebene Qalonimus … und er soll mich an dich erinnern. Jetzt weiß ich ganz sicher, dass du immer bei mir sein wirst.«
Isacco umarmte sie und lächelte ebenfalls. »Wahrhaft seltsam … Aber lass unseren Gott aus dem Spiel«, sagte er gutmütig zu ihr, ehe er flüsternd nachsetzte: »Ich möchte nicht, dass er sich daran erinnert, dass ich nur ein Betrüger bin«, flüsterte er ihr zu.
Inzwischen hatte Zuan Mercurio das Amulett umgehängt, mit dem Isacco jahrelang sein Geld verdient hatte.
»Das stinkt …«, beschwerte sich Mercurio.
Isacco lachte laut. »Das muss der Ziegenkot sein«, sagte er leise zu Giuditta, die ihm daraufhin den
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