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Das Mädchen, das nicht weinen durfte

Titel: Das Mädchen, das nicht weinen durfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khadra Sufi
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wollte, wartete ich, bis ich sie im Dorf antraf oder sie mich abholte. Oder ich sah sie gar nicht und spielte mit den anderen Kindern, nur um ihm nicht zu begegnen. Bis eines Tages Jassars Haus für uns Kinder zum Mittelpunkt des Dorfes wurde.
    Sein Bruder Mohamed hatte in einem der Häuser, aus dem die Eigentümer geflüchtet waren, eine Tischtennisplatte mit Schlägern und Bällen geplündert. So etwas hatten die meisten Dorfbewohner noch nicht gesehen und alles, was zwei Beine hatte, versammelte sich vorm Haus, um sich die Attraktion anzuschauen. Auch Fatima war aufgeregt und hampelte ungeduldig rum, als sie mich abholte.
    »Komm, Khadra, komm, dann kannst du auch mal spielen!« Wir rannten zu ihnen hinüber. Die Tür stand offen, sodass ich die Kinder drinnen jauchzen und jubeln hören konnte, aber ich versteckte mich hinter dem Türrahmen und lugte hinein. Ping, pong, ping, pong, mir gefiel der Ton, wenn der Schläger den kleinen weißen Ball traf und er auf der grünen Platte aufsprang. Dann sah ich die behaarte Hand, die den einen Schläger hielt und die ich kannte. Es war Jassar. Ich drehte mich um und wollte gerade nach Hause gehen, da hörte ich Fatimas kreischende Stimme.
    »Khadra! Komm rein und stell dich hier an!« Sie stand mit aufgerissenen Augen in einer Schlange mit Kindern und grinste,
denn bald war sie an der Reihe, gegen Jassar zu spielen, der nach ein paar Schlägen seine Gegner auswechselte, damit jeder mal drankam. Ich ging rein und stellte mich zu ihr in die Schlange. Irgendwann war ich dran und stand ihm gegenüber, ich konzentrierte mich aber nur auf den Ball und schaffte die meisten und schnellsten Ballwechsel von allen Kindern.
    So spielten wir alle eine Zeit lang, einer nach dem anderen, und als ich wieder mal an der Reihe gewesen war, den Ball aber knapp verpasst hatte, legte ich den Schläger auf die Platte, um mich voller Vorfreude wieder in der Schlange anzustellen. Aber es gab keine mehr und ich hatte es nicht mal gemerkt. Außer uns war nur noch der Nachbarjunge mit den Segelohren da, aber mit einer schnellen Handbewegung schickte Jassar ihn raus und er gehorchte dem Älteren wie üblich ohne Widerworte. Ich war wieder allein mit ihm! Ich war wieder auf ihn reingefallen! Die Tür stand noch offen und ich hätte einfach rausrennen können, dem Jungen nach, aber ich war wie gelähmt. Ich hätte schreien oder weinen können vor Angst, doch ich tat es nicht. Dann schloss er die Tür ab.
    »Komm, wir spielen noch’ne Runde.« Ich fühlte mich so schwach, fast zu schwach, um den Schläger in die Hand zu nehmen, aber ich tat es, denn solange ich mit ihm spielen würde, würde mir nichts passieren. Also begannen wir zu spielen, aber ich traf den Ball kaum noch. Ping, pong, ping, pong, ping, pong, pong, pong, pong … Ich hatte ihn wieder mal verpasst und jetzt sprang er direkt vor mir auf den Boden. Ich wollte ihn schnell auffangen, um weiterspielen zu können, aber er entglitt mir immer wieder. Dann kroch Jassar unter den Tisch und kam auf meiner Seite mit dem Kopf direkt an meinen Beinen wieder hervor.
    Ich trug mein dunkelrotes Kleid, das mir bis über die Knie ging, sah meine Beine, die dreckig und verstaubt vom Barfußlaufen im Sand waren. Ich hörte, wie der Tischtennisball immer schneller auf dem Boden aufschlug, bis er schließlich wegrollte. Jassar hockte auf seinen Knien und schob sein grinsendes Gesicht immer
näher an meines. Regungslos stand ich vor ihm, dann küsste er mich auf den Mund. Er sagte kein Wort, stand auf, nahm meine Hand und ich folgte ihm wie abwesend in sein Schlafzimmer.
    Das Fenster war offen und ich hörte, wie sich zwei Männer, die wohl davor saßen, miteinander unterhielten. Wären sie doch nur aufgestanden, dann hätten sie uns sehen und mir helfen können. Jassar aber schloss das Fenster und setzte mich auf sein Bett. Auf dem Stuhl daneben lag eine leere Streichholzschachtel, die ich in die Hand nahm. Er drückte mich aufs Bett und legte sich neben mich und leckte mir quer über die Wange. Dann zog er mein Kleid hoch und meine Unterhose runter, und ich fing an, die Streichholzschachtel zu zerreißen, Stück für Stück, bis es vorbei war.
    Wir sprachen kein Wort. Ich stand auf, strich mein Kleid wieder an meinem Körper herunter und als er die Zimmertür aufschloss, rannte ich los, aus dem Haus, die breiten Betonstufen hinunter und durch den Sand. Ich rannte, als ginge es um mein Leben, hinüber in unser Häuschen, ins kleine Badezimmer. Dort riss ich

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