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Das Mädchen, das nicht weinen durfte

Titel: Das Mädchen, das nicht weinen durfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khadra Sufi
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mir das Kleid vom Leib, scheffelte das kalte Wasser aus dem Tank und schüttete es mir über den Kopf. Ich spürte noch seine klebrige Spucke auf meiner rechten Wange und schrubbte sie mit einem kleinen Stück Seife weg, immer und immer wieder, bis meine Haut brannte. In diesem Augenblick hasste ich mich, ich hasste den Körper, den ich wusch.
    Wenn ich heute daran denke, bin ich selbst immer wieder aufs Neue fassungslos und verletzt. Nie zuvor habe ich darüber gesprochen, ich habe alles getan, um es zu verdrängen und zu verheimlichen. Ich wollte mich nicht daran erinnern, weil es einfach zu schmerzlich gewesen wäre.
    Ein paar Wochen später holte Fatima mich zum Spielen ab und wir wollten gerade zu den anderen auf den Dorfplatz laufen. Plötzlich sagte sie: »Ich muss kurz nach Hause, hab was vergessen.«
    »Dann geh schnell, ich warte hier«, antwortete ich.

    »Nein, komm mit, ich beeile mich.« Und obwohl ich mehr als jemals zuvor vermeiden wollte, auf Jassar zu treffen, ging ich mit, denn es würde ja nicht so lange dauern. Unten an der Treppe zum Haus blieb ich stehen. Als Fatima hineinging, warf sie mir noch einen kurzen Blick zu, der mir merkwürdig vorkam, und dann kam Jassar auch schon heraus. Hatte er sie beauftragt, mich zu ihm zu locken? »Ich will mit dir reden«, sagte er. Ich kannte diesen ernsten Ton in seiner Stimme nicht. »Setz dich.« Wir setzten uns auf die Stufen und er sah mich an, ich aber wich seinem Blick aus.
    »Als du aus meinem Zimmer gerannt bist, dachte ich: ›Was hab ich bloß angestellt?‹ Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.« Plötzlich klang er ganz sanft. »Ich habe mich so schlecht gefühlt, am liebsten hätte ich mich umgebracht. Aber das wäre Sünde, und ich würde in die Hölle kommen. Vergibst du mir?« Ich fühlte mich unwohl so nah bei ihm und hoffte, dass Fatima kommen würde.
    »Ja«, antwortete ich schnell. »Vergibst du mir wirklich?« - »Ja.«
    »Dann gib mir einen Kuss auf den Mund.« Jetzt war der Ekel wieder da, ich wollte nur weg. Wo blieb Fatima nur? Sie kam nicht. Ich gab ihm schnell einen Kuss auf den Mund und lief davon.

Gespenstische Gefahr
    Eines späten Nachmittags saß ich allein bei unserem Nachbarn vor der Tür, spielte mit dem warmen Sand zwischen meinen Fingern und baute kleine Türme. Papa war beim Nachbarn zum Teetrinken und Plaudern, ihre Stimmen waren so laut, dass ich sie durch die offene Tür bis zu mir nach draußen hören konnte. Papa redete wie immer am meisten, ich glaube, die Leute hörten ihm einfach gern zu, wenn er philosophierte und mit ihnen diskutierte.
    Verträumt hockte ich da und lauschte ihren Stimmen, ohne wirklich etwas davon zu verstehen, was sie sprachen. Ich beobachtete
die Sandkörner, wie sie immer mehr wurden und die Türme nach oben hin spitz zuliefen. Plötzlich sah ich aus dem Augenwinkel einen Wagen auf mich zufahren. Er hielt vor mir an und bildete eine Staubwolke, die mich einhüllte. Es war ein weißer Toyota mit acht bis zehn Männern auf der Ladefläche. Sie mussten Fremde sein, die von weit her kamen, denn ich hatte sie hier noch nie zuvor gesehen und ihr Auto war völlig verdreckt.
    Der Beifahrer blickte mich kurz an, ohne mich wirklich zu beachten. Seine Augen waren rot und fielen ihm immer wieder zu. Dann stiegen die Männer langsam aus und teilten sich in Gruppen auf, die zielstrebig in verschiedene Richtungen ausschwärmten. Ich blickte zweien von ihnen nach und fragte mich noch, wohin sie wohl gehen würden. Dann verschwanden sie aus meinem Blickfeld.
    Als ich mich zum Haus umdrehte, kam mein Vater aus der Tür und nahm vorsichtig die Stufen. Er hielt die Hände hoch in die Luft, denn hinter ihm lief der Mann, der eben noch verschlafen im Auto gesessen hatte, und hielt ihm sein Gewehr in den Rücken. Papas Freund, der Nachbar, kam auch aus der Tür, gefolgt von einem weiteren bewaffneten Mann. Dann verschwanden sie hinterm Haus. Keiner hatte ein Wort gesagt und mir war, als würde jedes Geräusch, das diese Stille durchbrechen würde, in Schüssen enden. Ich wollte ihnen nachlaufen, aber ich hatte Angst, die Männer zu erschrecken, also blieb ich im Sand sitzen, wartete und starrte auf die Hausecke, hinter der sie verschwunden waren. Plötzlich hörte ich Schritte, von allen Seiten kamen die Männer zurück und stiegen in den Toyota, auch die zwei, die meinen Vater und den Nachbarn mitgenommen hatten, kamen. Die Fremden verschwanden so plötzlich, wie sie gekommen waren. Zum Glück waren keine

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