Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Sie konnten dann um sie spielen.
    Raoul zuckte die Achseln, gähnte und meinte, daß er beim Kartenspiel bereits Geld verloren hatte; sie könnten jetzt vielleicht noch einmal spielen und die Biene als Einsatz nehmen. Für später.
    Kirbys Augen hatten endlich aufgehört zu tränen. Seine Nasenspitze fühlte sich groß und rund an.
    Die zwei Männer setzten sich an den Couchtisch. René mischte die Karten und starrte dabei Kirby an: »Wie haben Sie uns überrumpelt und gefesselt?«
    »Ich wußte mir zu helfen«, antwortete Kirby.
    »Verstehe. Haben Sie Gas verwendet oder so etwas Ähnliches?«
    »Etwas in der Richtung.«
    »Der Boss hat sich auch gewundert. Sie werden ihr alles erzählen müssen. Sie will alles wissen, was ihr nützlich sein könnte.«
    »Gib!« sagte Raoul.
    In der feuchtschwülen Stille des Zimmers war nur das Aufschlagen der Karten zu hören. Kirby vermutete mit ziemlicher Sicherheit, daß sich die Uhr noch in der rechten Tasche der geborgten Hose befand. Er beugte den zusammengekrümmten Rücken noch ein wenig weiter nach vorn, schob die gefesselten Ellbogen nach unten zu seinem rechten Schenkel und tastete mit dem linken Ellbogen über das Bein. Er spürte den runden Wulst der Uhr und glaubte das leise Geräusch zu hören, mit dem die schwere Kette gegen das Gehäuse rieb.
    »Mach ja keinen Unsinn!« René war aufmerksam geworden.
    »Ich möchte einen Krampf in der Schulter loswerden«, rechtfertigte sich Kirby unterwürfig.
    Raoul sprach in der vulgären Umgangssprache der afrikanischen Hafenstädte. Kirby verstand nicht viel, aber er wußte, worum es ging. Reg dich wegen dem Bürohengst nicht auf. Er ist schwach und hilflos und hat viel zu viel Angst; der wird uns keine Probleme machen.
    Kirby wußte, daß die größte Gefahr in seiner Hilflosigkeit lag.
    Die goldene Uhr hätte genauso gut einen Kilometer entfernt sein können, so wenig nützte sie ihm. Die Hilflosigkeit schaltete seinen Verstand aus, und er konnte keinen vernünftigen Plan schmieden. Er war davon überzeugt, daß Charla alles erreichen würde, was sie wollte, trotz der polizeilichen Durchsuchung, der Aufregung, des Aufsehens in der Öffentlichkeit und der allgemeinen Faszination durch einen Betrag, der rational nicht mehr erfaßbar war. Er konnte tun, was er wollte, er würde bei der fünfköpfigen Mannschaft und den drei gebrochenen jungen Frauen auf der Glorianna landen. Vielleicht hatte Bonny Lee ihre ganze Frechheit verloren und konnte Charla nicht rasch genug von den geheimnisvollen Kräften der geerbten Uhr erzählen. Sie würden sie bald holen und ausprobieren. Danach würden sie vermutlich allen, die damit zu tun hatten, ohne viel Aufhebens die Schädel einschlagen und sie verschnürt und mit Gewichten beschwert am Rand des Golfstroms versenken.
    Die erwartete Niederlage war wie eine Krankheit. Er konnte nur mit seinem Stolz gegen sie ankämpfen. Jetzt ist es soweit, dachte er; ich muß die von Onkel Omar in mich gesetzten Erwartungen erfüllen - oder endgültig aufgeben.
    Ob Bonny Lees kleines Auto immer noch draußen stand? Es war anzunehmen, daß sie es zurückgelassen hatten. Es war zu auffallend. Für Charla war Bonny Lee eine unbekannte Größe in der Gleichung. Aber Charla paßte sich allen unbekannte Größen unglaublich schnell und effizient an. Er war doppelt froh, daß er Bonny Lee von dem unglücklichen Durcheinander, in dem er sich befand, erzählt hatte. Sie konnte dadurch Charlas Schachzüge besser voraussehen. Hoffentlich war Bonny Lee so vernünftig, sich vollkommen dumm zu stellen. Wenn nur der leiseste Verdacht aufkam, daß sie etwas wußte, das von Wert sein könnte, würde Charla nicht ruhen, ehe sie herausgefunden hatte, was es war - und sie würde es so unangenehm wie möglich machen.
    Wenn Bonny Lees kleines Auto noch draußen stand, steckten wahrscheinlich auch die Schlüssel; Bonny Lee hatte gewußt, daß sie vielleicht rasch verschwinden mußten.
    René und Raoul stritten über ein Blatt. Raoul glaubte offenbar, daß René ihn betrogen hatte.
    »Noch einmal zu den siebenundzwanzig Millionen«, begann Kirby.
    Beide starrten ihn an. »Ja?«
    »Es ist sehr langweilig und unbequem, so zu sitzen. Vielleicht gibt es ein Spiel, das man zu dritt spielen kann. Um einen Teil des Geldes.«
    »Sie haben kein Geld«, stellte René fest. »Wir haben es genommen und aufgeteilt. Zwölfhundert.« Kirby fiel ein, daß sie den Rest unter Bonny Lees Matratze versteckt hatten.
    »Ich könnte Ihnen einen