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Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Titel: Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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bekam dabei wieder etwas ab. Er griff nach oben, holte sich das Messer und benutzte beim Strick oberhalb der Knie die gleiche Methode. Bevor er den Daumen auf die Aufziehwelle drückte, sah er sich René und Raoul an. Beide hatten sich zu ihm umgedreht, und ihre derben Gesichter zeigten ein erstes, schwaches Erstaunen.
    Diesmal arbeitete er noch schneller; das Messer schwebte jetzt in Augenhöhe. Er bog das Seil zurück, stand auf und ging im Zimmer umher. Das wohlbekannte Trägheitsmoment der Kleider behinderte ihn, und er schlüpfte aus den Schuhen, weil er es leid war, sie herumzuschleppen. Links und rechts vom Kamin standen zwei schwere Tontöpfe. Die Pflanzen waren eingegangen und zu nackten Stengeln vertrocknet. Er hob die Töpfe nach und nach hoch, schätzte die beteiligten Kräfte und platzierte sie etwa zwanzig Zentimeter oberhalb der Köpfe der beiden Männer.
    Er konnte nicht plötzlich verschwunden sein, nicht wenn es zwei Zeugen gab. Er setzte sich also wieder auf seinen Stuhl, so daß sie ihn sehen konnten, und drückte auf die Aufziehwelle. Die abgelegten Schuhe fielen auf den Boden. Die Karte flatterte auf den Tisch. Das Messer bohrte sich tief in den Zedernbalken an der Decke. Die Töpfe krachten auf die dicken Schädel und zersprangen auf dem Fußboden. René sackte auf der Couch zusammen. Raoul kippte langsam nach vorn und prallte mit der Stirn auf den Couchtisch. Kirby überzeugte sich, daß beide atmeten, machte sich seine neue Erfahrung zunutze und fesselte sie genauso, wie sie ihn gefesselt hatten. Das helle Licht der wirklichen Zeit machte die Arbeit einfacher, weil die Dinge nicht so widerspenstig waren. Damit sie einander nicht befreiten, legte er jedem die raffinierte Schlinge um den Hals. Raouls Halsschlinge befestigte er am Eisengitter vor dem Kamin und Renés an einem kräftigen Haken unterhalb des Fensters an der gegenüberliegenden Wand.
    Wilma hatte noch immer den zu großen Morgenmantel an und lag mit dem Gesicht nach unten quer über dem Bett; ihr Kopf hing über die Bettkante. Sie schnarchte laut und regelmäßig. Er rüttelte, klopfte und zwickte sie zehn Minuten lang und versuchte sogar, mit ihr zu gehen, konnte damit aber bestenfalls ihr Schnarchen kurzzeitig unterbrechen. Sie war eine schlaffe, warme Puppe mit baumelnden Gliedmaßen, und am meisten ärgerte ihn, daß sie zu lächeln schien.
    Aber er mußte sie aus dem Haus schaffen, ob mit ihrer Hilfe oder ohne diese. Es gab schon mehr Geiseln, als er sich leisten konnte. Wilma bedeutete ihm nicht viel, aber er fühlte sich für sie verantwortlich. Er zog ihr den Morgenmantel aus, und als er sie anzog, bemühte er sich, sie nicht mehr als notwendig anzustarren. Im Vergleich zu Bonny Lee und dem Mädchen am Strand trug Wilma ausgesprochen praktische, undurchsichtige, strapazierfähige Unterwäsche. Ihr Körper entglitt ihm immer wieder; dann sank sie vornüber und begann wieder zu schnarchen.
    Er wollte ihre zerrauften braunen Haare bürsten, aber nach ein paar Versuchen fand er schließlich in einer Lade einen hellen Schal, den er ihr um den Kopf band und unter dem Kinn verknotete. Jemand war auf ihre Brille getreten und hatte dabei die Fassung verbogen und die Gläser zermalmt. Das war kein sicherer Ort, aber im Augenblick fiel ihm nichts ein, wo er sich sicher gefühlt hätte. Auf alle Fälle brauchte er Geld.
    René bewegte sich, als Kirby sich das Geld aus seinen Taschen holte. Er öffnete die trüben Augen, schüttelte den Kopf und zuckte zusammen.
    »Wie, zum Teufel, haben Sie das gemacht?« fragte er leise.
    »Ich wußte mir zu helfen.«
    René schloß die Augen. »Das wissen Sie anscheinend immer, wenn es darauf ankommt.«
    In Raouls Taschen fand Kirby den Rest des Geldes und die Schlüssel für den Leihwagen. Raoul schlief weiter. Kirby tastete nach seinem Puls. Er war kräftig und regelmäßig. Danach schob er mit dem Daumen Renés Augenlider hoch; die Augäpfel waren nach innen gerollt. Ob das medizinisch etwas zu bedeuten hatte?
    Kirby legte sich Wilma über die linke Schulter und hielt mit dem Arm ihre Beine fest. Im Wohnzimmer meinte er plötzlich draußen ein Geräusch zu hören. Seine Hand fuhr in die Tasche; die Welt wurde rot, und er konnte eine rasche Erkundung wagen. Kirby kam unter Wilmas zusammengeklapptem Körper hervor und sah sich rund um das Haus um; alles war in Ordnung. Der Sunbeam stand in der Auffahrt. Die Schlüssel steckten. Wellerlys tropische Büsche verbargen ihn vor der Außenwelt. Gerade als

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