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Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Titel: Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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fahren, bevor die Ampel auf Rot schaltete, überlegte es sich anders und stieg auf die Bremse. Er krachte mit dem Mietwagen in ihren pflaumengrauen Continental. Metall splitterte und Reifen quietschten. Er blieb benommen sitzen, während sie schreiend aus dem Auto stürzte; ihr Gesicht war vor Zorn rot und häßlich. Seine Tür war aufgesprungen, und von rechts näherte sich ein Polizist.
    Kirby griff nach der Uhr und machte dem Lärm und dem Getue ein Ende. Er mußte sich zusammenreißen und sich daran erinnern, daß er sich in der roten Welt nicht beeilen mußte. Der Auffahrunfall hatte sich auf der mittleren Fahrspur der dreispurigen Straße nach Süden ereignete. Links und rechts von ihnen hatten Autos angehalten. Er stieg aus und inspizierte die anderen Wagen. Das erste Auto in der linken Spur war ein Coupe. Der Mann hinter dem Steuer war klein, und das kam ihm gelegen. Seine Fingerspitzen lagen auf dem Lenkrad, und er beobachtete den Unfall und die Frau, die mitten im Schreien erstarrt war. Kirby kletterte in das Auto, stemmte den kleinen Mann hoch, zog ihn unter dem Lenkrad hervor und schob ihn aus dem Auto. Er stieg aus, packte den Mann an den Knöcheln und zog ihn zum Mietauto. Mit zunehmender Erfahrung wurde es immer weniger anstrengend. Er setzte den Mann hinter das Lenkrad; seine Fingerspitzen lagen auf dem Steuer, und er sah immer noch über die rechte Schulter nach hinten. Je größer die Verwirrung, desto besser war es für Kirby. Er setzte dem kleinen Mann die Baseballmütze auf und zwängte sich dessen Tweedhut auf den Kopf. Zu guter Letzt nahm er dem Polizisten den Dienstrevolver ab, legte ihn der zornigen Frau so in die Hand, daß sie damit in die Luft zielte, und drückte kräftig auf den Finger am Abzug. Er kletterte hinter das Lenkrad des Cabrios, behielt die kleine Gruppe im Auge und schaltete die Stadt wieder ein. Die Frau feuerte in die Luft, riß die Hand zurück und starrte sie erstaunt an. Als der Schuß losging, begann der Polizist zu laufen und griff zum leeren Pistolenhalfter. Der Kopf des kleinen Mannes fuhr herum, und er blickte ungläubig auf das eingedrückte Auto, den Polizisten und die Frau mit der Pistole. Er sprang aus dem Auto und rannte davon. Die Ampel schaltete auf Grün und Kirby fuhr los. Die Sache würde wahrscheinlich nie ganz aufgeklärt werden.
    Sobald er so nahe beim Bootshafen war, daß er ihn zu Fuß erreichen konnte, hielt er am Straßenrand an und hielt nun auch den letzten schrägen Sonnenstrahl an. Er steckte die Schuhe unter das Hemd, nahm die dunkle Brille ab und machte sich auf den Weg zum Bootshafen. Die schweigenden rosa Menschen waren steif und unwirklich und erinnerten ihn an einen versteinerten Obstgarten. In der Eile streifte er manchmal jemanden. Ein Mann zündete sich gerade eine Pfeife an. Die Flamme sah aus, als wäre sie aus rosa Messing. Eine Frau blies Zigarettenrauch aus dem Mund, der unbeweglich wie eine halbdurchsichtige Plastikwolke in der Luft stand.
    Er betrat das Gelände des Bootshafens und ging zum Hauptdock. Die kleinen Wellen in der Bucht sahen im roten Schein der untergehenden Sonne wie aus Blei gegossen, geölt und poliert aus.
    Die Glorianna lag am Ende des T; sie war nicht ganz so groß, wie er erwartet hatte; ungefähr fünfundzwanzig Meter lang. Ein Glatzkopf mit Schnurrbart stand am Bug und sah zur Stadt hinüber; er war gerade dabei, ein schweres Tau aufzurollen. Die Glorianna hatte viel Kabinenraum, aber nur wenig Deckfläche und wirkte daher nicht sehr elegant. Doch sie war breit und besaß genügend Freibord, um ein seetüchtiges Schiff zu sein. Er ging über die Gangway an Deck. Es war ein helles, ordentliches Schiff, makellos, luxuriös und bequem. Das Deck war leer. Luken und Türen waren geschlossen; vermutlich war das Schiff klimatisiert. Er wollte sich Zutritt verschaffen, aber in der roten Welt hatte er gegen die ruhenden Dinge nur geringe Chancen. Er war wie eine Maus, die versuchte, einen Kühlschrank zu öffnen.
    Er überlegte, auf welchem Weg er am wahrscheinlichsten zu den Kabinen gelangte, tauchte dann kurz aus der roten Welt auf, öffnete die Tür und zog sie halb auf.
    Er ließ die Tür hinter sich offen und stieg ein paar steile Stufen hinunter in den schmalen Korridor zwischen den Kabinen auf der Steuerbord- und Backbordseite. Die Kapitänskabine befand sich wahrscheinlich vor ihm am Ende des Korridors. Die Tür stand ein wenig offen. Er stemmte die Schulter dagegen und konnte sie langsam weit genug

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