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Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Titel: Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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aufdrücken, um sich hindurchzuzwängen. Charla stand mit dem Profil zu ihm im burgunderfarbenen Nebel; in der linken Hand hielt sie ein Glas, mit der rechten deutete sie auf Joseph. Sie trug ein loses, kurzes Kleid, und die glänzenden Haare fielen ihr auf die Schultern. Joseph lehnte mit verschränkten Armen an der getäfelten Wand neben dem Bett und sah sie skeptisch an. Er trug einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine gemusterte Krawatte.
    Kirby sah sich Charla von der Nähe an. Wie hatte er vergessen können, wie perfekt ihr Teint und wie bemerkenswert und sinnlich ihr Gesicht war. Es brachte ihn leicht aus der Fassung. Er hatte geglaubt, daß Bonny Lee einen Schutzschild um ihn errichtet hatte und er immun für die ältere Frau war. Aber als er ihr jetzt so nahe war, wurden seine Knie weich und wackelig. Er mußte demonstrieren, daß er frei von ihr war und sie keine Macht mehr über ihn besaß. Daher grinste er sie höhnisch an, streichelte sie und sagte: »Hi, Liebste!« Die Vorstellung war nicht sehr überzeugend. Das höhnische Grinsen paßte nicht zu seinem Mund, die Worte klangen leblos und verklangen in einer dicken Schicht Isolierwolle, und ihre außerordentlichen Brüste fühlten sich wie Plastikkugeln hinter einem Drahtgitter an.
    Er wollte sich gerade auf die Suche nach Bonny Lee und Betsy machen, da fiel ihm ein, daß er etwas erfahren konnte, wenn er sie belauschte. Wenn sie sich allein auf dem Boot befanden, hatten sie den Mädchen aller Wahrscheinlichkeit nach noch nichts angetan. Er suchte in der luxuriösen Kabine nach einem passenden Versteck. Auf einem weniger geräumigen Schiff hätte man den Platz unter dem Bett vermutlich als Stauraum verwendet. Aber hier war er leer und groß genug. Mit der Uhr in der Hand konnte er die Vorgänge jederzeit anhalten, sobald Gefahr drohte. Er zwängte sich unter das Bett und bog den Rand der herabhängenden Überdecke wieder herunter.
    Kaum hatte er die Aufziehwelle der Uhr gedrückt, erklang ein Staccato Redeschwall in einer unverständlichen Sprache. Das Geräusch verstummte plötzlich. Sie sagte etwas, das wie eine Frage klang, durchquerte die Kabine und knallte die Tür zu. Dann fügte sie etwas in bestimmtem, befehlendem Ton hinzu.
    Er antwortete unbewegt lässig und gleichgültig.
    »Wenn ich sage, daß wir Englisch sprechen, Joseph, dann sprechen wir Englisch. Warum ging die Tür auf? René ist der einzige, der fließend Englisch spricht, und er ist an Land. Ich bin nur so weit gekommen, weil ich nie jemandem getraut habe.«
    »Nicht einmal dir selbst«, sagte Joseph.
    »In dieser Angelegenheit können wir nicht vorsichtig genug sein. Mach bitte keine schlechten Witze. Wir waren bei Krepps überaus vorsichtig, und haben mehrmals kläglich versagt. Ich muß das besitzen, was ihm zu solcher Macht verholfen hat, Joseph.«
    Das Bett knarrte, als sich Joseph setzte. Kirby preßte die Wange auf den Teppich und blickte genau auf Charlas bloße Füße. Sie kamen näher und blieben vor Joseph stehen. Joseph sprach in ironischem Ton weiter. »Was erwartest du? Eine Maschine zum Gedankenlesen? Einen Mantel, der dich unsichtbar macht?«
    »Er hat unsere Gedanken gelesen, Joseph, und unsere Pläne erraten. Er war ein Teufel. Und Winter besitzt es. Aber er ist kein solcher Mann wie der Alte. Jetzt können wir es uns holen, bevor er herausfindet, wie man damit richtig umgeht.«
    »Was es auch sein mag. Falls er überhaupt weiß, was es ist.«
    »Davon bin ich überzeugt. Ich habe dir erzählt, was er gesagt hat.«
    »Könnte sein, daß er nur geblufft hat.«
    »Es wird schön sein, wenn wir endlich sicher sein können, so oder so.«
    Joseph seufzte hörbar. »Die Angelegenheit bleibt trotzdem äußerst delikat. Mir wäre viel wohler zumute, wenn das verdammte Mädchen nicht so schnell und klug gewesen wäre. Wenn sie zur Polizei geht, wird alles noch komplizierter.«
    Charla lachte und setzte sich neben Joseph. Kirby hätte die Hand ausstrecken und ihre bloße Ferse berühren können. »Mädchen wie sie gehen nicht zur Polizei. Sie hat mich daran erinnert, wie ich vor langer Zeit war. Diese Idioten, die du angeheuert hast, waren natürlich keine Experten, aber selbst wenn sie gut gewesen wären, hätte sie trotzdem ...«
    »Aber wie hat sie es angestellt?«
    »Einer von ihnen hatte eine Wohnung. Er hielt es für sicher, sie dort unterzubringen, bis wir sie hierher schaffen oder sie zumindest so präparieren können, daß sie still und brav ist und ordentlich

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