Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest
Kirby die Wirklichkeit zurückbringen wollte, um das Auto aus dem Weg zu fahren, fiel ihm Wilma ein. Er lief hinein. Es wäre ein ungewöhnlicher, unangenehmer Sturz für ein schlafendes Mädchen gewesen! Er schob die Schulter unter ihre Mitte und kehrte in die reale Welt zurück.
»Mrs. O'Rourke wird das nicht gefallen«, sagte René.
»Ihr seid überrumpelt worden. Was hättet ihr tun sollen?«
»Ihr wird schon etwas einfallen.«
Er legte Wilma im Fond der gemieteten Limousine auf den Boden, fuhr mit dem Sunbeam um die Limousine herum und bekam so den Weg frei. Dann stieg er in den Mietwagen, setzte die Sonnenbrille und die Baseballmütze auf und fuhr los. Er fuhr auf der Route 1 etwa einen Kilometer schnell nach Osten und parkte beim ersten bequem gelegenen Motel.
Ein alter Mann saß in der Rezeption. Er hatte ein Zimmer im Erdgeschoß frei.
»Sie und Ihre Frau, ja?« Er spähte an Kirby vorbei. »Wo ist sie denn?«
»Sie schläft im Fond. Sie ist sehr müde.«
Kirby unterzeichnete die Anmeldung und zahlte bar für die Nacht. Er parkte unmittelbar vor dem Zimmer, schloß die Tür auf und hob Wilma heraus. Als er sie in den Armen hielt und sich umdrehte, stand der alte Mann hinter ihm. »Mein Gott, sie ist wirklich müde, Mister. Sie wird doch nicht krank sein?«
»Sie hat einen sehr tiefen Schlaf.«
»Ich möchte keine Scherereien. Das ist ein ordentliches Haus. Wo ist Ihr Gepäck, Mister?«
»Hinten.«
»Ich möchte nur Ihr Gepäck sehen.«
»Ich möchte sie zuerst hineintragen.«
»Legen Sie sie hin, denn wenn Sie kein Gepäck haben, kommt sie nicht in mein Motel.«
Kirby lehnte Wilma auf den Sitz. Er mußte zugeben, daß sie nicht vertrauenserweckend wirkte. Sie sah aus, als stünde sie unter Drogen. Was stimmte.
Er sperrte den Kofferraum auf, und als er den Deckel mit der linken Hand öffnete, entfloh er aus der normalen Zeit. In unmittelbarer Nähe lud ein Mann sein Gepäck aus dem Auto. Er hatte eine ganze Reihe Koffer auf den Parkplatz gestellt, um einen nach dem anderen hineinzutragen. Kirby holte sich zwei kleinere Gepäckstücke, schob sie zur Limousine und hob sie in den Kofferraum. Dann nahm er dieselbe Stellung ein wie zuvor und öffnete den Kofferraumdeckel ganz.
»Ich lege bei allen Gästen Wert auf Gepäck«, entschuldigte sich der alte Mann.
»Klar«, stimmte Kirby zu, und hob das Mädchen wieder hoch. Diesmal legte sie ihm die Arme um den Hals.
»Schlaaafen«, murmelte sie. »Muß noch schlaaafeen.«
Der alte Mann trug das Gepäck hinein. Kirby ließ Wilma auf das nächststehende Bett fallen, und sie begann sofort wieder zu schnarchen.
»Die schläft wirklich gut«, meinte der alte Mann.
Kaum war er gegangen, verwandelte Kirby die Welt in rote Stille und brachte die beiden kleinen Koffer zurück. Der Mann stand verwirrt vor seinen Gepäckstücken und zeigte mit dem Finger darauf; offenbar zählte er sie gerade. Kirby drückte sie hinter ihm auf den Boden und kehrte in sein Zimmer zurück.
Als er die Aufziehwelle niederdrückte, fiel die Tür zu. Er zog Wilma die Schuhe aus und schrieb eine kurze Nachricht für sie. »Sie sind hier in Sicherheit. Ich komme zurück, sobald ich kann. Bleiben Sie im Zimmer und telefonieren Sie auf keinen Fall. Legen Sie die Kette vor die Tür. Ich klopfe fünfmal - Pause - und dreimal schnell.«
Er nahm den Zimmerschlüssel mit und vergewisserte sich, daß die Tür versperrt war. Vor einer öffentlichen Telephonzelle auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums blieb er stehen, rief die Polizei an, deren Nummer auf der ersten Seite des Telephonbuchs stand, und meldete, daß es sich so anhöre, als wolle jemand die Hintertür bei den Wellerlys, 210 Sunset Way, eintreten. Aber die Wellerlys waren doch verreist. Bei der ersten Frage legte er auf.
Er fuhr nach Süden Richtung Miami. Es war ein Viertel vor sieben, und er hatte das Gefühl, daß er zuviel Zeit verschwendete. Wenn er Zeit in der wirklichen Welt verbrachte, bekam er Schuldgefühle. Denn sobald die Welt rot war, hielt die Zeit an, und Bonny Lee konnte nichts Böses geschehen, falls sie in Schwierigkeiten steckte. Wenn er zu Fuß ging, dann konnte er die Zeit anhalten, aber er mußte auch an seine Kräfte denken. Die Sonne ging bald unter. Er konnte es sich nicht leisten, daß der Tag zu Ende ging, da er bezweifelte, daß er gut genug sehen würde, wenn die Welt dunkel und rot war.
In seiner Eile verschätzte er sich. Die Frau vor ihm gab Gas, als wolle sie noch über eine Kreuzung
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