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Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Titel: Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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waren weich wie Butter. Er setzte sich vorsichtig hin, leerte sein Glas und füllte es aufs neue. Er hatte den Eindruck, ständig zwei Bilder gleichzeitig zu sehen. Er mochte schauen, wohin er wollte, er sah Charla auf dem Rücken liegen, wie auf einer unübertroffen scharfen Nahaufnahme für immer auf Kodachrome gebannt: Die großen, runden, festen Brüste mit der öligen Sonnenbräune, die makellose, straffe Haut, die um eine Nuance dunkleren Brustwarzen, groß aber nicht derb, die spitz seitlich nach oben auf das tropische Blau des Morgenhimmels zeigten.
    Er schüttelte heftig den Kopf, und das überdeutliche Bild wurde unscharf. Als er noch einmal den Kopf schüttelte, versank es im Wirrwarr seiner Erinnerungen, von wo er es jedoch jederzeit hervorholen konnte.
    Das metallische Geräusch, mit dem das Wasser in die fast volle Wanne stürzte, verklang, und als er sich vorstellte, wie sie hineinstieg, stöhnte er laut auf. Vielen Dank, Onkel Omar. Vielen Dank, daß du einem hilflosen jungen Mann ein so tiefes Mißtrauen gegen Frauen und ihre Machenschaften eingeimpft hast. Als Ergebnis bekomme ich als reifer Mann von zweiundreißig Jahren Krämpfe in den Zehen und bringe kein vernünftiges Wort heraus, wenn ich vor einer schönen, halbnackten Frau stehe.
    Aber er vermutete, daß Charla mit ihren Reizen auch einen weitaus erfahreneren Mann aus der Fassung bringen konnte.
    Bei seinen spärlichen Erfahrungen und seiner übergroßen Schüchternheit, die er sorgfältig zu verbergen suchte, wunderte es ihn, daß er bei ihrem Anblick nicht in verrücktes Kichern ausgebrochen und dreißig Meter über den bunten Dächern der Strandhütten mit einem Satz über die Zementeinfassung gesprungen war.
    Er kannte den hoffnungslosen Verlauf seiner zwanghaften Suche nach sexuellem Selbstbewußtsein. In dieser von Hugh Heffner geprägten Welt war er offenbar der einzige, der nie zu einem Häschen kam. Mit der Zeit wurde es immer mehr zu einer Frage des Stolzes als des Begehrens.
    Die Frauen fanden ihn durchaus attraktiv. Mühevoll hatte er sich einen Plauderton voll verdeckter Anspielungen angewöhnt, der bei den Frauen den Eindruck erweckte, daß er an diese unverbindliche Zerstreuung genauso gewohnt war wie jeder andere. Doch er hatte gegen die verdammte Schüchternheit zu kämpfen. Wo fängt man an? Wie fängt man an? Waren mehrere ungebundene Frauen anwesend, so hatte er es in seiner Taktik zu wahrer Kunstfertigkeit gebracht: Er machte jede glauben, daß er sich intensiv für eine der anderen interessierte.
    Hin und wieder überwand er seine Schüchternheit und ging zum entscheidenden Angriff auf sein Ziel über, und dann verschwor sich mit Sicherheit alles gegen ihn. Er war kein besonders komischer Mann, und es deprimierte ihn, wenn er an die vielen Slapstick-Situationen zurückdachte. Man sollte doch meinen, daß sich ein Mann von Rang einer Frau wie Charla nähern konnte, ohne sie aus Tolpatschigkeit wie ein Gänseblümchen zu entblättern und über das Bett zu schleudern. Wenn er daran dachte, stieg ihm die Schamröte ins Gesicht.
    Vermutlich verkrampfte er sich, sobald es ernst wurde. Es war wie beim Baseball, wenn der Neuling endlich zum Zug kommt und vor Aufregung den Ball fallen läßt.
    Manchmal schaltete sich die Natur ein, so wie damals bei dem Erdbeben. Er begann allmählich zu glauben, daß er verhext war.
    Manchmal war es einfach Pech, wie vergangenes Jahr mit Andrea in Rom. Er hatte sie vor der kreischenden Menge gerettet, die sie mit Elizabeth Taylor verwechselte. Sie hatten ein unterhaltsames Gespräch geführt. Sie wohnten im selben Hotel, im selben Stockwerk. Sie war allein und wollte sich von einer schlechten Ehe und einer chaotischen Scheidung erholen. Stillschweigend waren sie übereingekommen, daß er die paar Meter über den Korridor kommen und an ihre Tür klopfen würde; sie wollte ihm dann öffnen.
    Die Aussicht entsetzte ihn. Er hatte sich zu ungezwungen und weltmännisch gegeben. Sie erwartete von ihm sicherlich Zuvorkommenheit, europäische Gewandtheit und Erfahrung. Etwas viel für jemanden, dessen letzte Affäre - besser gesagt, dessen einzige Affäre - sich vor zwölf Jahren auf dem Rücksitz eines 1947er Hudson in Johnstown, Pennsylvania abgespielt hatte. Es war in einer öffentlichen Parkanlage gewesen, und es hatte heftig geregnet. Das Mädchen hieß Hazel Broochuk, war aufdringlich gewesen und hatte Pockennarben; die Affäre hatte ganze zwölf Minuten gedauert, zwölf einmalig unbeholfene

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