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Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Titel: Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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Minuten.
    Das waren kaum die richtigen Erfahrungen für ein Rendezvous mit einer Frau, die Liz Taylor zum Verwechseln ähnlich sah, aber er war entschlossen, seine Rolle so gut er konnte zu spielen. Er nahm ein brühheißes Bad, zog seinen Morgenmantel aus Wollstoff an und marschierte mit geballten Fäusten und zusammengebissenen Zähnen im Zimmer auf und ab. Schließlich ging er siegesbewußt zur Tür, trat in den Korridor und zog die Tür hinter sich zu. Dabei klemmte er ein großes Stück seines Morgenmantels ein. Die Tür fiel ins Schloß. Die Schlüssel lagen drinnen auf dem Schreibtisch. Vielleicht gab es auf dieser Welt Männer, die selbstsicher genug waren, ohne Morgenmantel an die Tür zu klopfen. Es hätte auf alle Fälle keine Zweifel über den Grund des Besuches zu dieser späten Stunde offen gelassen. Aber Kirby Winter war kein solcher Mann.
    Am schlimmsten war es wahrscheinlich damals gewesen, als er, vom Brandy mutig gemacht, mit einem entzückenden, süßen Mädchen Hand in Hand das große Haus in Nassau verließ und mit ihr wie der Wind im Mondschein zum Strandhaus hinunterlief. Auf halbem Weg verfing er sich unterhalb des Kinns in einer Wäscheleine aus Draht.
    Aber auf jede Gelegenheit, die ihm das Schicksal verwehrt hatte, kamen zwei, bei denen er entsetzt und in Schweiß gebadet die Flucht ergriffen hatte. Er grinste höhnisch über sich selbst und trank den Champagner. Du bist ein Clown und ein Feigling, Kirby Winter, ein unfähiger, neurotischer, konfuser Feigling, und trotzdem spazierst du herum und erweckst bei den Frauen den Eindruck, daß du ein Herzensbrecher bist. Wahrlich großartig!
    Charla kam ins Zimmer. Noch ehe er aufstehen konnte, setzte sie sich ein wenig von ihm abgerückt in die Ecke der Couch. Sie war barfuß, trug kurze rosa Shorts, ein rosa-weiß gestreiftes, trägerloses Top und ein rosa Band im Haar. Wenn er nicht sie, sondern den Hintergrund fixierte, sah sie aus wie fünfzehn. Zwar erschreckend frühreif, aber nicht älter als fünfzehn. Nur beim genauen Hinsehen entdeckte man das schlaffe Gewebe unter Kinn und Augen und die Falten um den Mund.
    »Noch einmal, Liebster«, bat sie und hielt ihm ihr leeres Glas hin. Er füllte es, goß auch in seines nach und stellte die Flasche wieder in den Eiskübel. »Dieses Hemd steht Ihnen wirklich.«
    »Danke. Es ist hübsch. Auch die anderen Dinge sind hübsch. Aber ich kann das wirklich nicht annehmen ...«
    Sie verzog das Gesicht. »Plötzlich so spießig? Haben Sie schlechte Laune, wenn Sie aufwachen? Ich schon. Deshalb habe ich Sie allein gelassen, Kirby.«
    »Nein, ich habe keine schlechte Laune, nur ...«
    »Es reichte nicht, Ihren Anzug einfach zu bügeln. Sie bekommen ihn heute nachmittag wieder, zusammen mit Ihrer Krawatte, den Socken und so weiter. Das Hemd habe ich weggeworfen. Hoffentlich hängen Sie nicht aus irgendeinem Grund daran. Es war schäbig. Sagen Sie mir jetzt, daß es Ihnen wirklich besser geht. Wenn man sich besonders anstrengt, dann ...«
    »Es geht mir sehr viel besser, Charla.«
    Sie zog die Knie auf die Couch, kreuzte die Beine und musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen, während sie trank. Sie hatte eine lange Taille. Die vollen Hüften und Brüste ließen ihre Taille schmäler wirken, als sie tatsächlich war. Die glänzenden Beine waren kurz und kräftig, paßten aber genau zu ihr.
    »Böse auf mich?« fragte sie.
    »Hätte ich einen Grund dafür?«
    »Ich habe Sie ein wenig geneckt, wissen Sie es noch?«
    »Ja.«
    »Frauen können grausam sein, stimmt's?«
    »Vermutlich.«
    »Könnte sein, daß ich Sie wieder necke.«
    Er wurde unruhig. »Könnte sein.«
    »Aber irgendwann werde ich vielleicht aufhören, Sie zu necken.« Sie starrte ihn mit großen, unschuldigen Augen an. »Armer, kleiner Mann. Wie werden Sie wissen, wann es so weit ist und ich es ernst meine?«
    Er suchte nach einem neuen Gesprächsstoff. »Dieses Mädchen.«
    »Ach ja! Sie hat Sie gestört. Meine Nichte. Sie nennt sich jetzt Betsy Alden. Ich war sehr böse auf sie, Kirby, und bin es immer noch.«
    »Sie hat sich ziemlich aufgeführt.«
    Charla zuckte die Achseln. »Ich habe offenbar ihrer Karriere entsetzlich geschadet. Es geschah nicht mit Absicht. Ich wollte nur, daß sie herkommt und mich besucht. Schließlich bin ich ihre einzige Tante. Sie wollte nicht kommen, weil sie sich einbildet, daß ihre Schauspielerei wichtiger ist. Da fiel mir ein alter Freund ein. Ich rief ihn an, und er rief wieder einen guten Freund an.

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