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Das Mädchen in den Wellen

Das Mädchen in den Wellen

Titel: Das Mädchen in den Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri
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protzig, an einer Straße mit dicht belaubten Bäumen, spielenden Kindern und ratternden Rasenmähern, in einem Viertel mit ordentlichen Gärten und ordentlichen Leben, darunter das ihre, jedenfalls bis vor Kurzem. Sie hatte ziemlich viel Arbeit in dieses Haus investiert, das beim Kauf renovierungsbedürftig gewesen war. Es war ein Ort für eine normale Familie, wie Nora sie bis dahin nie gehabt hatte. Jetzt war die Tür verschlossen, und Briefe lagerten im Postfach. Staub legte sich auf die Möbel. Es hatte eine Zeit gegeben, in der Nora Teil der Stadt gewesen war: ihrer Geschäftigkeit, ihres Lebens, ihrer Seele. Auf den Gehsteigen wimmelte es von Menschen – Erfolgreiche, Versager, Fröhliche, Verrückte, Entfremdete. Sie hatte sich von der Stadt distanziert. Von Malcolm. Ihr Boston existierte nicht mehr.
    Owen trat von hinten an sie heran. »Kann ich helfen?«
    »Nicht nötig.« Seine Nähe machte sie nervös. Im Wohnzimmer spielte Polly Klavier und sang – ein wenig falsch – dazu. Von oben waren leise die Stimmen von Maire und den Mädchen zu vernehmen. »Zu viele Köche verderben den Brei.«
    »Aber du kochst nicht, und ich bin ein guter Spüler.« Er schwang das Geschirrtuch wie im Stierkampf.
    »Ein Mann mit vielen Talenten. Danke übrigens für die Stühle. Das wäre nicht nötig gewesen. Ich möchte dir Geld dafür geben.«
    »Sie sind ein Geschenk.«
    »Du schuldest mir nichts. Ich dachte, das wäre geklärt. Ich habe dich auf den Felsen gefunden und dir eine Jacke gegeben, die dir nicht passte. Gerettet hast du dich selber.«
    »Ist es wichtig, wie wir uns begegnet sind?«
    »Nein. Es ist nur …«
    »Was beschäftigt dich?«
    »Nichts. Ich möchte nur sicher sein, dass du mich nicht missverstehst.«
    Er schwieg eine Weile. »Wir sind doch Freunde, oder, Nora? Belassen wir’s für’s Erste dabei.«
    »Freunde? Warum weiß ich dann so wenig über dich?«
    »Du sagst, ich schulde dir nichts. Willst du trotzdem eine Erklärung?«
    »Ja, wahrscheinlich. Entschuldige, aber ich bin es nicht gewohnt, dass Männer ans Ufer gespült werden und bleiben.« Das hatte ironisch klingen sollen, doch er wurde misstrauisch.
    »Du bist es gewohnt, dass sie wieder gehen? Wir haben beide unsere Gründe, warum wir hier sind. Mir ist was auf den Kopf geknallt …«
    »Kannst du dich wirklich nicht erinnern, oder willst du nicht?«, rutschte es ihr heraus.
    »Das Gleiche könnte ich dich fragen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich will mich nicht mit dir streiten. Ich versuche nur, wieder Boden unter die Füße zu kriegen und mich für Maires Hilfe erkenntlich zu zeigen, okay?« Er trat näher an sie heran.
    Sie wich mit klopfendem Herzen einen Schritt zurück. Da tauchte Ella in der Tür auf.
    »Mom«, sagte sie. »Du musst dir anschauen, was wir im Speicher gefunden haben.«
    »Ich komme schon.« Nora, der Ellas Argwohn nicht entging, wandte errötend den Blick ab.
    Sie versuchte sich einzureden, dass Ella sich keine Sorgen zu machen brauchte. Zwischen ihr und Owen Kavanagh war nichts.
    Owen ging zu Polly ins Wohnzimmer, während Ella Noras Hand nahm und sie nach oben zog. »Hier lang, Mama.« Maire erwartete sie auf dem Treppenabsatz, vor ihrem Zimmer. Es ging aufs Meer, und in den Wänden und der Tagesdecke spiegelten sich die Farben des Himmels. Auf dem Nachtkästchen lag eine alte Ausgabe von Jane Eyre .
    »Ein Lieblingsbuch von mir«, erklärte Maire, als sie Noras Blick bemerkte.
    »Von mir auch«, sagte Nora.
    »Wir träumen doch alle davon, einen Rochester zu finden, oder?«, meinte Maire.
    »Mom braucht keinen Rochester«, mischte sich Ella ein. »Sie hat Daddy.«
    »Natürlich.«
    Sie gingen an Jamies Zimmer am anderen Ende des Flurs vorbei, in dem alles so aussah wie früher, auf den Regalen Pokale, auf dem Kissen ein Plüschhund. Wir waren alle mal Kinder, dachte Nora. Unschuldig und voller Träume. Sie stiegen eine steile, schmale Treppe hinauf.
    »Ihr müsst euch ein bisschen ducken. Die Decke ist ziemlich niedrig«, warnte Maire sie.
    »Wie im Tower«, bemerkte Annie.
    »Wo Köpfe rollten. Kopf ab«, fiel Ella dazu ein.
    »Danke, den behalte ich lieber«, erklärte Annie.
    In der Mitte des langen, schmalen Raums brannte eine nackte Glühbirne, die an einem Kabel von der Decke baumelte. Die Regale im Speicher waren voll mit Schachteln und Koffern, ordentlich übereinandergestapelt und mit Etiketten versehen.
    »Schau, da ist es.« Ella deutete auf eine Karte, die unter einem kleinen, runden Fenster auf dem

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