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Das Maedchen mit dem Stahlkorsett

Titel: Das Maedchen mit dem Stahlkorsett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kady Cross
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Wahrnehmung, sonst hätte er die Verfolgerin längst bemerkt.
    Sie folgte ihm bis zu einem Haus in Covent Garden – nicht luxuriös, aber auch nicht die Hütte eines Bettlers. Es wirkte wie ein normales Heim der Mittelschicht. Was hatte Sam hier zu suchen? Warum klopfte er hier mitten in der Nacht an? Ehrbare Menschen schliefen um diese Zeit. Sam, sie selbst und die gesamte Aristokratie waren der Beweis dafür.
    Finley stellte das Velo ein Stück entfernt im Schatten ab, wo Sam es nicht bemerken konnte, und beobachtete, wie die Haustür geöffnet wurde. Sam sprach mit dem Bewohner und trat ein. Sie konnte nicht sehen, wer es war, doch sobald die Tür wieder geschlossen war, eilte sie zu dem nächsten beleuchteten Fenster. Glücklicherweise stand es sogar offen, sodass sie das Gespräch belauschen konnte, das drinnen geführt wurde.
    »Du hast mich benutzt«, schimpfte Sam wütend und enttäuscht.
    »Wirklich?«, fragte ein Mann mit einem seltsamen Akzent. »Inwiefern?«
    »Um an den Duke of Greythorne heranzukommen und Informationen über uns zu gewinnen.«
    Finley runzelte die Stirn. Was zum Teufel hatte das zu bedeuten? Vorsichtig stellte sie sich auf die Zehenspitzen und spähte hinein. Sam hatte sich mitten im Raum vor seinem Gesprächspartner aufgebaut. Die linke Hand des Mannes bestand aus einem hellen, glänzenden Metall. Sie erkannte die Hand und das Gesicht. Sam sprach mit Leonardo Garibaldi, dem Maschinisten.
    »Dieser Hundesohn«, flüsterte sie. Wie hatte sich der große Trottel nur in diese missliche Lage manövriert? Seine Miene zeigte deutlich, dass der Maschinist ihn belogen und betrogen hatte.
    »Es waren in der Tat sehr nützliche Informationen«, erklärte Garibaldi. Finley nahm an, dass er, wie schon der Name vermuten ließ, mit italienischem Akzent sprach. »Du warst eine sehr ergiebige Quelle, mein Freund.«
    »Das werde ich dir nicht durchgehen lassen«, drohte Sam zähneknirschend. »Ich zeige dich bei Scotland Yard an.«
    Der ältere Mann lächelte traurig. »Nein, das wirst du nicht tun. Du unterschätzt mich, mein Freund. Natürlich ist es deine Gewohnheit, andere Menschen zu unterschätzen, und genau deshalb mag ich dich so sehr. Bedauerlicherweise muss unsere Freundschaft nun, wie alles andere, sterben. Tut mir leid, Samuel. Nicht nur, weil ich dich verraten habe, sondern auch, weil ich dich mit meinem wundervollen Spielzeug allein lassen muss.«
    Finley riss die Augen auf, als die Zimmertür aufsprang und ein Metallmann eintrat, der sogar Sam noch um zwei Köpfe überragte. Der Schädel glänzte wie Chrom, die lidlosen Augen und die Metallzähne waren in einer fast lebensechten Grimasse erstarrt. Anmutig und mit fließenden Bewegungen schritt er aus.
    Es war erstaunlich. Es war schrecklich. Das Ungetüm ging direkt auf Sam los.
    Diesen Moment wählte Garibaldi, um zu fliehen. »Verzeih mir, mein Freund.« Damit verschwand er durch die Tür nach draußen.
    Gleich darauf fiel die Vordertür zu. Finley konnte beobachten, dass Garibaldi in eine Dampfkarosse stieg, die ihn auf der Straße erwartete. Kaum dass er hineingesprungen war, setzte sich das Fahrzeug laut zischend in Bewegung. Entschlossen, den Maschinisten zu schnappen, rannte sie hinterher.
    Ein metallisches Klirren ließ sie innehalten. Von ihrem Standort aus konnte sie gerade noch ins Haus blicken. Der Metallmann versetzte Sam einen Schlag ins Gesicht und schleuderte ihn gegen die Wand. Putz rieselte herab. Finley fluchte und blickte zwischen Sam und dem sich entfernenden Dampfwagen hin und her. Sie konnte Garibaldi verfolgen und fangen oder Sam helfen. Wenn sie Sam half, würde Garibaldi entkommen, und das musste sie später Griffin beichten.
    Wenn sie Garibaldi verfolgte, bestand durchaus die Möglichkeit, dass der brutale Automat Sam tötete – den Burschen, der sie für eine Schurkin hielt und der sie beinahe erwürgt hätte. Gegen menschliche Gegner war der Hüne fast unbesiegbar, doch Metall ermüdete nicht. Ein Metallmann gab niemals auf. Der Automat würde Sam in der Luft zerreißen.
    Finley seufzte. Hatte sie denn überhaupt eine Wahl?
    Hoffentlich war Griffin nicht zu enttäuscht, und hoffentlich tötete der Metallmann nicht sie beide.
    Sie rannte zum Haus zurück und sprang durch das offene Fenster hinein.

Neunzehn
    NEUNZEHN
    W ie hatte er nur so dumm sein können? Als der Automat mit seinem metallischen Grinsen und den lidlosen Augen auf ihn losging, war Sam sicher, dass er nicht mehr lebend aus dem Haus

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