Das Maedchen mit dem Stahlkorsett
verbunden. Andere Mädchen mochten sie normalerweise nicht, und junge Männer interessierten sich auf eine Weise für sie, die ihr nicht gefiel. Sie begriff nicht mal, warum, denn schließlich war sie keine außergewöhnliche Schönheit.
Das Mädchen war offenbar nicht von ihrer Aufrichtigkeit überzeugt, kam jedoch näher heran. »Wenn du mir wehtun willst, macht er dich fertig. Klar?«
Finleys Lächeln verflog, und auf einmal hatte sie einen Kloß im Hals. Sie nickte und wagte es nicht, den böse dreinschauenden jungen Mann anzublicken.
So blieb sie eine Weile sitzen und ließ sich die Stirn und das Gesicht abwischen, wobei sie geflissentlich übersah, wie viel Blut sich auf dem Lappen sammelte. Dann bekam sie ein warmes, feuchtes Tuch, mit dem sie sich die blutfleckigen Hände reinigen konnte.
Finley schluckte schwer. »Ich muss mich für mein Verhalten von gestern Abend entschuldigen. Ich war nicht ich selbst.«
»Nein?« Auf der bleichen Stirn wanderten die roten Augenbrauen nach oben, während das Mädchen die Tücher an sich nahm. »Wer warst du dann? Ein Wechselbalg vielleicht?« Sie hatte einen schönen, melodischen irischen Akzent.
»Ich weiß es nicht genau.« Mit gerunzelter Stirn sah Finley dem Mädchen nach. Hatte die Kleine sie auf den Arm genommen, oder glaubte sie ernsthaft, sie hätte es mit einem Feenwesen zu tun, das sich als Mensch ausgab?
Das Mädchen warf die blutigen Tücher in das Waschbecken, drehte sich um und ging zur Kommode. Dort kramte sie in einem kleinen Lederbeutel herum und zog etwas heraus, das aussah wie ein Parfümzerstäuber. »Ich werde dich vorsichtshalber noch einmal behandeln, damit die Verletzungen endgültig abheilen. Ich verspreche dir, dass es nicht so unangenehm wird wie gestern Abend. Du kannst jetzt auch essen.«
Finley errötete und fühlte sich beschämt. »Natürlich.« Sie schob sich höher, um beim Essen bequemer zu sitzen. Die Bewegung erschreckte das Mädchen anscheinend, denn es fuhr zurück und ließ die Flasche fallen, die mit einem lauten Knall auf dem Boden landete.
»O verdammt! Jetzt ist sie unter die Kommode gerollt.«
Bevor sich das Mädchen bücken und unter das Möbelstück spähen konnte, eilte ihm schon der dunkelhaarige Kerl zu Hilfe. Er stellte das Tablett auf das Bett, ging zur Kommode und bückte sich. Finley hatte keine Ahnung, wie er das Fläschchen mit seinen Pranken zu finden hoffte. Dann sah sie, dass er lediglich unter die Kommode gegriffen hatte, um einen Ansatzpunkt zu finden. Als er sich aufrichtete, hob sich das große, schwere Möbelstück vom Boden. Anscheinend mühelos hielt er es mit bloßen Händen hoch.
Kein Mensch war so stark. Nicht einmal in ihrem veränderten Zustand kam sie dieser Kraftentfaltung auch nur nahe.
»Erstaunlich«, flüsterte Finley und starrte ihn bewundernd an.
Jetzt lächelte die junge Irin, anscheinend beinahe wider Willen. »Und das aus dem Munde eines Mädchens, das einen Die ner herumgeworfen hat wie einen Kartoffelsack.« Sie bückte sich rasch und hob das Fläschchen auf. »Danke, Sam.«
Er warf der Rothaarigen einen tiefen Blick zu und stellte wortlos das Möbelstück an seinen Platz zurück. Das Mädchen sah ihn nicht an, sondern wich ihm geflissentlich aus. Dabei liefen ihre Wangen flammend rot an.
»Ich heiße Finley«, sagte sie, als sich ihre Pflegerin wieder an sie wandte. »Wer bist du?«
Das Mädchen zögerte mit erhobenem Zerstäuber. Was auch in dem Behälter war, es roch nach Rosmarin und Erde – beinahe wie Straßenstaub. Schließlich sprühte sie Finley einen leichten, kühlen Dunst auf die Stirn. Sie hatte immer noch Angst. »Emily.«
Finley gab ihr die Hand. »Freut mich, dich kennenzulernen, Emily. Danke, dass du so nett warst, als ich so eklig war.«
Emily schlug die Augen nieder. Zuerst dachte Finley, sie würde das Freundschaftsangebot nicht annehmen, und hielt den Atem an. Als sie die Hand schon zurückziehen wollte, nahm Emily das Gerät in die Linke und schlug ein. Emilys Hände waren nicht so glatt wie die einer Lady, sondern eher ein wenig rau wie Finleys eigene Haut. Es waren die Hände eines Menschen, der an Arbeit gewöhnt war. Finley mochte sie jetzt sogar noch mehr.
Ja, diesem kleinen Mädchen mit den auffälligen roten Haaren und den altklugen Augen wollte sie vertrauen.
»Gern geschehen … Finley.« Emily deutete auf den jungen Mann. »Das ist Sam.«
Finley überwand sich und schenkte auch ihm ein Lächeln. Ihm wollte sie nicht so gern vertrauen,
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