Das Maedchen mit dem Stahlkorsett

Titel: Das Maedchen mit dem Stahlkorsett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kady Cross

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zusammen aufgewachsen, da Sams Vater dem alten Herzog als Verwalter gedient hatte. Schon früh hatten sie begriffen, dass sie Fähigkeiten besaßen, die andere Jungs nicht hatten. Im Laufe der Jahre hatte Griff verschiedene Theorien entwickelt, warum dies so war. Vielleicht waren sie irgendeiner Art von Gift ausgesetzt gewesen. Oder sie waren, wie Mr. Darwin offenbar einmal Griffs Vater und Großvater erklärt hatte, einfach nur Beispiele für die natürliche Evolution des Menschen zu etwas Höherem.
    Was sie auch waren – ihre Fähigkeiten gingen jedenfalls weit über das hinaus, was normalen Menschen möglich war. Jeder, der einmal Griff dabei beobachtet hatte, wie er mit den Augen diese schreckliche Sache machte, hielt ihn garantiert nicht mehr für normal.
    Was Sam anging, so hatte er seine Fähigkeiten im Alter von etwa sechs Jahren entdeckt, als ein Karren ein Rad verloren hatte, auf seinen Vater gekippt war und ihn am Boden eingeklemmt hatte. Statt zu gehorchen und Hilfe zu holen, hatte Sam den Wagen angehoben, damit der Verletzte herauskriechen konnte. Sein Vater hatte zwar nichts gesagt, war aber am Abend zum Haupthaus hinauf gegangen, um mit dem Herzog zu reden. Danach wurden Sam und Griff fast wie Brüder behandelt, genossen die gleiche Ausbildung und wurden auch in anderer Hinsicht bevorzugt. Natürlich wurden ihnen auch verschiedene Prüfungen auferlegt, weil es sehr wichtig war herauszufinden, wozu Sam überhaupt imstande war.
    Im Laufe der Zeit vervollkommnete er seine Fähigkeiten und lernte zugleich, sie zu verbergen. Das war eine wichtige Regel – man durfte niemandem verraten, wer man wirklich war. Da draußen gab es Menschen, die es nicht verstehen und sich fürchten würden. Aus irgendeinem Grund musste Sam immer an das Buch von Mary Shelley denken, das ihr Hauslehrer ihnen gegeben hatte. Frankenstein oder so ähnlich. Es ging da um einen Mann, der ein Ungeheuer erschaffen hatte, das gefürchtet und gehasst wurde, obwohl es sich wünschte, Teil der Menschheit zu sein.
    Es geschah unmerklich, doch seit diesem Tag dachte Sam insgeheim, er sei so etwas wie ein Ungeheuer.
    Und jetzt hatte ihn Emily – der einzige Mensch, der ihn nie so sehen durfte – noch viel abscheulicher gemacht. Im Kopf verstand er, dass sie ihn gerettet hatte. In gewisser Weise hatte sie ihn sogar verbessert. Er war jetzt bestimmt stärker als vorher, doch welchen Preis musste er dafür zahlen? Unter dem Fleisch, das ihre »Biesterchen« hatten wachsen lassen, befanden sich Finger, Gelenke und andere Knochen, die nicht aus natürlichem Gewebe bestanden, sondern aus Metall.
    »Das ist dein eigener Körper«, hatte Emily gesagt und ihm die geschickten Finger auf den Arm gelegt. »Die Organellen haben deine Zellstrukturen nachgebildet. Das Skelett mag aus Metall sein, aber der Rest ist so natürlich wie alles andere an dir.« Um Vergebung flehend hatte sie ihn angeblickt, doch er hatte es nicht über sich gebracht und ihr bis heute nicht verziehen. Nicht völlig. Nicht so aufrichtig, wie sie es sich wünschte.
    Genau wie Frankensteins Ungeheuer hatte er keinen vollständig natürlichen Körper; er hatte einen Teil seiner Menschlichkeit verloren. Einerseits ängstigte und ärgerte es ihn, an dererseits freute er sich darüber, dass er jetzt sogar noch stärker war. Der Gedanke, dass er es den verdammten Maschinen bei der nächsten Begegnung heimzahlen konnte, gefiel ihm durchaus.
    In der Welt der Automaten war irgendetwas im Gange. Irgendetwas hatte Metall und Zahnräder befähigt, sich gegen die Menschen aufzulehnen. Die Maschine, die ihm den Arm ausgerissen hatte, war nicht die erste gewesen, die aus der Reihe getanzt war. Es war lediglich das schlimmste Ereignis dieser Art gewesen.
    Nun lagen die Überreste der Maschine tief unter dem Haus in einem dicken Tresor, dessen Kombination nur Emily und Griff kannten. Es behagte ihm nicht, dass sie dem grässlichen Ding so nahe war, doch er konnte es auch nicht ertragen, sich dort mit ihr und dem Automaten aufzuhalten.
    Seine Feigheit war es auch gewesen, die Griff veranlasst hatte, die mechanischen Mitarbeiter größtenteils durch solche aus Fleisch und Blut zu ersetzen. Er wusste genau, wie sehr Sam sich jetzt vor Metall ängstigte.
    Was, wenn die Maschine nun nicht zerstört war? Griff behauptete, die Energieversorgung sei entfernt worden – aber wenn der Apparat nun über weitere Quellen verfügte? Griff hatte Emily darauf angesetzt und ihr manchmal geholfen. Er war