Das Maedchen mit dem Stahlkorsett
weder zierlich noch empfindlich und konnte sich mit seiner Magie schützen. Emily dagegen war brillant und in den Händen einer Maschine so zerbrechlich wie Porzellan.
Wut und Verzweiflung. Die Freude, noch am Leben zu sein. Diese und andere Gefühle rangen miteinander und wühlten ihn auf, bis er dachte, er würde gleich explodieren. Er musste Druck ablassen. Er musste aufhören zu grübeln.
Wieder schlug er auf das ein, was von der Wand noch übrig war. Die Backsteine explodierten förmlich, als sich die Mauer unter Sams Schlägen beinahe aus dem Fundament hob. Ein Brocken aus Mauerwerk und Mörtel flog hoch, bevor er ausweichen konnte.
Als das Stück gegen seinen Wangenknochen prallte, hatte er das Gefühl, im ganzen Kopf ein Scheppern zu hören.
Benommen hob Sam die Hand – die richtige Hand – und tastete sein Gesicht ab. Er spürte etwas Blut, warm und feucht, hatte aber kaum Schmerzen. Das hätte doch viel stärker wehtun müssen, selbst wenn die Schmerzen ihn nicht so sehr behinderten wie viele andere.
Wenn nun aber … nein, das konnte nicht sein.
Doch die Ahnung ließ ihn nicht mehr los. Wie betäubt ging er zur anderen Seite des Raums und trat vor die verspiegelte Wand, vor der sie oft ihre Kampftechniken analysierten.
Dicht davor blieb er stehen, betrachtete sein Gesicht aus der Nähe und hob beide Hände zu der Wunde an der Wange. Ohne Rücksicht auf den Blutverlust zog er die Haut auseinander und schob die Finger in den blutenden Riss. Dabei wurde ihm fast übel, doch er ließ sich nicht beirren, öffnete den Spalt weiter und grub, bis er die harte Schicht darunter fand. Er starrte sie an. Bitte, lass es Knochen sein.
Es war kein Knochen.
Er ließ die blutigen Hände sinken, stolperte entsetzt zurück und zitterte, als wäre ihm mit einem Mal die ganze Welt unter den Füßen weggerissen worden.
Plötzlich bekam er Schmerzen in der Brust. Was war das für ein Gefühl? Diese Leere, dieses Brennen?
Verrat. Er fühlte sich verraten.
Es gab dem Zorn neue Nahrung und trieb ihn mit großen Schritten aus dem Raum. Hastig rannte er die breite Treppe hinunter, ohne auf die Diener zu achten, die erschrocken aufkeuchten, als sie ihn so sahen. Er flog den Flur entlang, hinunter zur Kellertür und riss sie fast aus den Scharnieren, als er sie öffnete.
Der Aufzug war viel zu langsam. Beinahe hätte er ein Loch in den Fußboden getrampelt und wäre direkt hinabgesprungen. War er etwa kein Monster mit übermenschlichen Kräften? Das Warten, während die verdammte Kiste ihn nach unten beförderte, war das Einzige, was ihm in diesem Moment half, menschlich zu bleiben.
Emily war wie gewöhnlich allein in dem Reich, das sie für ihren Privathimmel hielt, für eine sichere Zuflucht. Hier unten gab es keine einzige freie Fläche mehr. Ein Uhrwerksaffe mit freigelegten Zahnrädern hockte neben einem Raketenmodell und einem Stapel Lochkarten auf einem Regalbrett. Auf dem Arbeitstisch lagen Entwürfe für eine Waffe – zweifellos eine Neuentwicklung für Jasper. Sie baute ständig neue Sachen für den Amerikaner, den Griffin vor einer Weile kennengelernt hatte, was Sam erheblich störte.
Emily stand gegenüber an einer anderen Werkbank. An den Wänden und der Deckenverstrebung flackerten elektrische Lampen und beleuchteten ihren Arbeitsplatz. Sie beschäftigte sich mit ihrem Lieblingsprojekt, das sie schon seit fast einem Jahr verfolgte – eine Katze. Ein mechanisches Haustier, das sie kontrollieren konnte.
Sie blickte auf und schob die Vergrößerungsbrille hoch, die sie für Feinarbeiten benutzte. Einen Moment lang waren ihre hübschen Augen hinter den Linsen groß wie Silberdollars.
»O mein Gott, Sam!« Erschrocken rutschte sie vom Hocker herunter. »Was ist denn nur passiert?«
Er machte einen Schritt und hielt inne, doch das konnte sie nicht abhalten. Dumm und vertrauensvoll kam sie ihm entgegen, die Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben.
»Wie viel?«, fragte er sie und ballte die Hände zu Fäusten.
Jetzt runzelte sie die Stirn. »Was meinst du damit? Was hast du denn da nur gemacht?«
Er fing die Hand ab, die sie zu seinem Gesicht heben wollte. Ihr Handgelenk fühlte sich zwischen seinen Fingern so winzig an. Mühelos hätte er es zerbrechen können, doch er wollte ihr nicht wehtun. Ganz egal, was sie ihm angetan hatte, er würde Emily niemals wehtun.
Trotzdem keuchte sie, weil er sie viel zu fest gepackt hatte. Außer sich vor Wut schüttelte er sie. »Wie viel von mir ist eine
Weitere Kostenlose Bücher