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Das Maedchen mit dem Stahlkorsett

Titel: Das Maedchen mit dem Stahlkorsett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kady Cross
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Kinn klapperte. Victoria störte Sam bei Weit em nicht so sehr wie das schimmernde Wesen hinter der Bar. Victoria war in ihrem Glaskasten gefangen, eine halbe Frau, die nicht weglaufen konnte, und selbst wenn, wäre die zierliche Konstruktion leicht zu zerstören gewesen.
    Das Metall hinter der Theke dagegen ließ ihn mit den Zähnen knirschen. Erkannten die Menschen denn nicht, in welche Gefahr sie sich begaben, wenn sie sich in einem Raum mit diesem … mit einem solchen Ding aufhielten?
    Wenigstens war er jetzt besser zum Kampf gerüstet als früher – dafür hatte Emily gesorgt. Er spannte die Finger der rechten Hand. Es fühlte sich völlig normal an. Wie war das möglich, da die Hand doch künstlich war? Er spürte nicht einmal einen Gewichtsunterschied zwischen den Armen. Das Metall war doch sicherlich schwerer als der Knochen?
    Die Kellnerin kehrte zurück und stellte eine schäumende Pinte Ale vor ihm auf den Tisch. Der Schaum rann außen am Glas herunter und bildete einen kleinen Teich auf dem schmutzigen Tisch. »Möchten Sie sonst noch etwas?«
    Sam war nicht dumm. Vielleicht war er nicht so klug wie Emily und Griff, aber er war nicht dumm. Er begriff Dinge, von denen sie nichts verstanden, und ihm war völlig klar, was ihm das Mädchen anbot. Er wusste auch, dass niemand gern abgewiesen wurde.
    »Im Moment nicht«, entgegnete er mit einem kleinen Lächeln. Es kam ihm falsch und gezwungen vor, doch das bemerkte sie nicht. Sie erwiderte das Lächeln.
    »Sagen Sie nur Bescheid, wenn Sie es sich anders überlegen.«
    »Bestimmt«, versprach er ihr und wusste schon, dass er es nicht tun würde.
    Als sie raschelnd abzog, hob Sam das Bierglas. Das warme Ale strömte durch den Mund und weckte mit seinem kräftigen Geschmack die Zunge. Er könnte drei Gallonen von dem Zeug trinken und wäre immer noch nicht berauscht genug, um Emilys leise Stimme zu vergessen:
    Ich habe dein Herz ersetzt.
    Was bedeutete das? Er hatte überlebt, und nun pumpte eine Maschine das Blut durch seine Adern. Inwiefern veränderte dies sein Leben als Mensch? Würde er länger leben? War es Lüge, wenn das Ding in seiner Brust schneller schlug, sobald er Emily begegnete? Was wusste eine Maschine schon von Gefühlen? Würde er jemals ehrlich sagen können, dass er tief in seinem Herzen eine Regung spürte, der er vertraute?
    Verstärkt wurde seine Verwirrung durch die Dankbarkeit dafür, dass er ganz einfach überlebt hatte, ganz egal, wie sein Körper jetzt beschaffen war.
    Die Victoria Victrola sang ein Lied über unerwiderte Liebe und verstärkte seine Melancholie. Er leerte das Glas und winkte der Kellnerin, ihm noch eines zu bringen. Misstrauisch sah er zu, wie sie dem automatischen Wirt einen entsprechenden Auftrag gab. Er stellte sich vor, wie die Metallhände auf einmal das schwere Bierglas fallen ließen und die Kellnerin an der Kehle packten, um sie zu erwürgen, während das Bier auf den Boden lief. Und er sah sich selbst, wie er ihr zu Hilfe kam – doch plötzlich half seine eigene Hand dabei, das Mädchen zu erwürgen, obwohl er es gar nicht wollte …
    »Sie sehen aus, als könnten Sie etwas Gesellschaft brauchen.«
    Sam fuhr auf und warf dem Mann, der vor seinem Tisch stand, einen kurzen Blick zu, während die blonde Kellnerin ihm das zweite Glas servierte. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sie sehen elend aus«, erwiderte der Mann mit einem seltsamen Akzent. »Und Elend blüht erst in Gesellschaft richtig auf, oder nicht?«
    Seltsamerweise musste Sam über den armseligen Scherz sogar lachen. Er deutete auf den Stuhl gegenüber. »Wenn es Ihnen Spaß macht, dürfen Sie sich gern setzen.«
    Der Mann stellte sein volles Glas auf den Tisch, bevor er die Rockschöße hochwarf und sich niederließ. Dann zog er die guten Lederhandschuhe aus. Er war teuer gekleidet wie ein Gentleman: rostroter Mantel, eine Weste mit goldenen Borten. Dazu trug er eine schokoladenfarbene Melone und eine rein weiße Krawatte. Er hatte einen recht dunklen Teint, schwarzes Haar und dunkle Augen und stammte offenbar nicht aus dieser Gegend.
    »Leon Adamo.« Der Mann bot ihm die Hand.
    »Sam Morg…« Sam erstarrte und konnte keinen Blick von … von dem Ding vor sich wenden. Es war lang und schlank und sah genauso aus wie viele andere Hände, die er gesehen hatte. Bis auf ein Detail.
    Sie bestand aus Metall. Die Hand aus stumpfem Silber besaß alle erforderlichen Gelenke und Knöchel. Sogar Fingernägel waren eingraviert, und der Handrücken war mit

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