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Das Maedchen mit dem Stahlkorsett

Titel: Das Maedchen mit dem Stahlkorsett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kady Cross
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hatte, sondern das allein Griffin gehörte.
    Sein Blick fiel auf die Maschine, die Emily gebaut hatte, damit Griffin einen Zugang zum Äther hatte, ohne Teil davon zu werden. Sie war ein Beweis für Emilys Genialität und Griffs Macht. Wenn er sie zerstörte, würde er sie beide treffen. Beide würden sich dann so fühlen wie er – verraten und verwirrt.
    Es wäre ganz leicht. Die Maschine stand direkt vor ihm. Sein mechanischer Arm konnte das Ding binnen Sekunden in Schrott verwandeln. Er musste nur die Hand zur Faust ballen und ausholen.
    Ich habe dein Herz ersetzt  – die Worte gingen ihm durch den Kopf, während sich die Fingerspitzen in die Handfläche bohrten. Wenn du schon auf jemanden wütend sein möchtest, dann bitte auf mich. Emilys und Griffs Stimmen überlagerten einander in seinem Kopf und erzeugten eine Kakophonie des Elends, die er nicht zum Schweigen bringen konnte.
    Aus Liebe hatten sie ihn vernichtet. Wenn er jetzt dieses Ding zerstörte, das sie gebaut hatten, ließ er zwar etwas Druck ab, doch er würde sich damit nicht gut fühlen. Später würde er sich entschuldigen müssen. Griff und Emily würden ihn allerdings für das, was sie ihm angetan hatten, niemals um Verzeihung bitten, weil sie ihm damit das Leben gerettet hatten. Und nur das zählte für sie. Obwohl sie inzwischen wussten, wie verbittert er war und wie sehr er die Metallteile in seinem Körper verabscheute, würden sie es jederzeit wieder tun, weil sie ihn lieber als Flickwerk bei sich hatten, als ganz auf ihn zu verzichten.
    Es störte sie nicht einmal, dass er sie dafür verabscheute.
    Sam ließ die Faust sinken und ging hinaus. Er schrieb eine Nachricht für Emily und schob sie unter ihrer Tür durch, dann betrat er sein eigenes Zimmer. Dort warf er einige Kleidungsstücke und ein paar persönliche Dinge in eine Tasche, ging in die Stallungen und stieg auf sein Velo. Er musste hier raus. Er musste nachdenken.
    Vor allem musste er sich möglichst weit von den Menschen entfernen, die ihn liebten.
    Finleys Mutter lebte mit ihrem Mann in Chelsea, also gerade weit genug entfernt, um mit Griffin und dessen Tante eine ungemütliche Fahrt in einer Dampfkarosse erdulden zu müssen.
    In einem so eleganten Fahrzeug hatte Finley freilich noch nie gesessen. Außen war es glänzend schwarz lackiert, der Fahrer hockte hoch oben auf einem Polstersitz. Aus dem silbern schimmernden Schornstein, der an der Seite der Kutsche nach oben führte, stieg weißer Dampf auf. Das Innere war mit dunkelblauem, fast schwarzem weichen Samt ausgeschlagen. An beiden Seiten gab es Lampen, die nächtliche Reisen angenehmer machten. Im Augenblick waren die Blenden vorgezogen, und in dem Wagen herrschte Zwielicht.
    Sie sprachen nicht miteinander. Finley wollte hundert Fragen stellen, doch das war alles sinnlos, solange sie nicht mit ihrer Mutter geredet hatten. Wenn Lady Marsden richtig lag, dann hatte ihre Mutter sie seit ihrer Kindheit bis auf den heutigen Tag angelogen. Aber warum?
    Sie saß neben der Lady auf dem Polstersitz. Griff hatte sich ihnen gegenüber niedergelassen, vom Scheitel bis zur Sohle ganz der stolze Herzog mit seiner makellosen Krawatte, der schwarzen Jacke und der dunkelgrauen Hose. Darüber trug er einen langen schwarzen Übermantel aus weichem Leder, außerdem hatte er einen Gehstock mit silbernem Knauf dabei.
    Ab und zu ertappte sie ihn dabei, dass er sie betrachtete, wenngleich seine Miene und die Augen völlig ausdruckslos blieben. Wahrscheinlich war er ein vorzüglicher Kartenspieler. Jedenfalls machte es sie nervös. Auch der andere Teil in ihr reagierte mit Unruhe – und mit Empörung. Aus irgendeinem Grund wollte sie dem jungen Mann eine Ohrfeige versetzen, obwohl sie ihm im Grunde nicht einmal vorwerfen konnte, dass er das Schlimmste über sie dachte.
    Finley zog die Jalousie auf ihrer Seite ein Stückchen weg, um aus dem Fenster zu spähen und die vorbeiziehende Landschaft zu betrachten. Sie lehnte die Schläfe an den weichen Samt und beobachtete die langsam vorbeifahrenden Pferdedroschken. Busse, die mit Kohle befeuert wurden, sandten dicke Rußschwaden, die an Gewitterwolken erinnerten, in die feuchte Luft. Die öffentlichen Transportmittel waren bei Weitem nicht so luxuriös wie dieses Fahrzeug. Wahrscheinlich hatten der Duke of Greythorne und seine hochnäsige Tante noch nie das Innere eines Omnibusses oder die dritte Klasse eines Luftschiffs auch nur aus der Ferne betrachtet. Die zweite Klasse natürlich auch nicht.

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