Das Maedchen mit dem Stahlkorsett
ihren Tränen. Sie schniefte und wischte sich die Augen trocken. »Ich lege mich eine Weile hin.«
Als sie hinausging, sah Griffin ihr hilflos nach. Er wusste nicht, was er sonst noch tun oder sagen sollte. Im Augenblick waren alle durcheinander und verwirrt. Emily machte Finley Platz und blickte ihr nach, als sie zum Aufzug ging.
Emily und Griffin waren mit Sam allein. Sein Herz schlug laut und kräftig. So sehr sie Finley folgen wollten, Sam war derjenige, der jetzt ihre Aufmerksamkeit brauchte. Sie mussten sich zuerst um ihn kümmern; alles andere konnte warten.
Finley marschierte schnurstracks in ihr Zimmer, fand eine Reisetasche im Schrank und stopfte so viel wie möglich von ihren Habseligkeiten hinein. Da sie nicht viel besaß, konnte sie fast alles unterbringen. Eines Tages würde sie Griffin die Ausgaben für die Kleidung erstatten.
Immer wenn sie in Schwierigkeiten geriet, lief sie instinktiv davon, und so war es auch jetzt. Es spielte keine Rolle, dass sie Griffin, Emily und sogar Jasper mochte. Sam war schon viel länger bei ihnen und viel eher ihr Freund. Hätten sie sich zwischen ihr und ihm entscheiden müssen, dann hätten sie ihn gewählt, und das war richtig so.
Sie konnte nicht bleiben, denn sie wusste, dass sie ihn beinahe umgebracht hätte. Wenn die anderen sie jetzt noch nicht dafür hassten, dann würden sie es bald tun. Es war besser, aus eigenem Entschluss zu gehen, statt hinausgeworfen zu werden wie ein Stück Abfall.
In der großen Eingangshalle traf sie Jasper, der gerade hereinkam.
»Läufst du weg?« Die Reisetasche war ihm nicht entgangen.
Sie nickte. »Ich glaube, es ist am besten.«
»Pass gut auf dich auf, Finley.«
Mit einem Kloß im Hals sagte sie: »Du auch, Jasper.« Sie ging zur Vordertür und trat in das verblassende Tageslicht hinaus. Der Abend senkte sich über die Stadt. Die Dunkelheit konnte gar nicht schnell genug kommen, um diesem elenden Tag ein Ende zu setzen.
Der Stall stand offen, und sie nahm dasselbe Velo wie vorher. Am nächsten Tag würde sie es zurückbringen, aber jetzt kam es ihr vor allem darauf an, so schnell wie möglich zu verschwinden.
Die Schutzbrille sorgte dafür, dass ihr der Wind nicht in die Augen wehte, doch gegen die hervorquellenden Tränen konnte sie nichts tun. Finley unterdrückte das Weinen und alle Gedanken und konzentrierte sich nur auf ihr Ziel, während sie durch die überfüllten Straßen schoss. Kutscher drohten ihr mit den Fäusten, als sie ihnen den Weg abschnitt, und die Passanten riefen ihr Flüche hinterher. Sie ignorierte alles, beugte sich tief über die Lenkstange und raste durch die Stadt.
Als sie ihr Ziel erreicht hatte, stellte sie das Velo auf der Straße ab und blockierte den Startmechanismus, damit es niemand stehlen konnte. Zu dumm, dass sie dies nicht schon beim ersten Mal gewusst hatte, denn dann hätte sie das schwere Ungetüm nicht auf ein Dach wuchten müssen.
Sie stieg die Treppe hoch und klopfte an. Es war der einzige Ort, an den sie jetzt noch gehen konnte. Der einzige Ort, wo sie ohne Fragen angenommen werden würde.
Als die Tür aufging, blickte sie ihm in die Augen. »Ich brauche einen Ort, wo ich bleiben kann. Eine kleine Weile nur«, sagte sie.
Jack Dandy machte ihr Platz und öffnete die Tür etwas weiter, damit sie eintreten konnte.
»Willkommen daheim, Schätzchen.«
Sechzehn
SECHZEHN
S ie war weg.
Griffin stand in der Tür von Finleys ehemaligem Zimmer und starrte konsterniert auf das unbenutzte Bett und den größtenteils leeren Schrank. Er machte sich nichts vor – sie würde nicht zurückkehren. Ihm war klar, dass sie alles mitgenommen hatte, was sie hatte tragen können.
Er hätte sich denken können, dass sie nach den gestrigen Ereignissen durchbrennen würde. Er hätte mit ihr reden sollen, doch er war zu sehr mit Sam und Emilys seltsamer Entdeckung während der Operation beschäftigt gewesen.
Die Organellen hatten versucht, das Ventil zu reparieren. Sams Körper hatte instinktiv einen Weg gefunden, sich selbst in Ordnung zu bringen, und dabei eine neue Ebene der Heilung erreicht. Waren die Organellen auch dafür verantwortlich, dass sie auf der Leiter der Evolution die nächste Sprosse erklommen hatten?
Sie konnten viel von Finley lernen, die mit den Organellen im Blut zur Welt gekommen war. Jetzt war sie fort, und er machte sich Vorwürfe. Er hätte wissen sollen, dass sie sich für den Kampf gegen Sam verantwortlich fühlte, auch wenn es sein hitzköpfiger Freund gewesen
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