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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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erkannte, dass sie einen empfindlichen Punkt bei ihm getroffen hatte.
    »Warum sollte ich nicht den Mut haben?«
    »Weil das, was ich dir zeigen will, in einem geheimen Teil des Palastes liegt, zu dem niemand Zugang hat.«
    »Tatsächlich? Und was wird dort versteckt?«
    »Eine Frau – sie kann hellsehen!«, platzte Margot heraus.
    Einen Moment schien er unschlüssig, ob er ihr glauben sollte. »Unsinn! … Wirklich?«, fragte er dann. Sie sah die Neugier in seinen Augen aufflackern.
    Sie nickte. »Komm, ich werde sie dir zeigen!«
    Kurz darauf schlichen sie sich zurück zum Palast. Sie zeigte ihm die lose Wandverkleidung und die geheime Tür, die sich dahinter befand. Die Anerkennung in seinem Blick tat ihr gut.
    Als sie den Wandteppich auf der anderen Seite zur Seite schlugen, zögerte er jedoch. »Bist du sicher, dass wir das tun sollten?«
    »Du hast Angst!«
    Statt einer Antwort setzte er als Erster den Fuß in den Flur. Im Gang war niemand zu sehen. Sie liefen bis zur nächsten Ecke. Margot sah, dass die Wache im Flur auf und ab lief. »Wenn er um die Biegung verschwindet, haben wir kurz Zeit«, flüsterte sie leise.
    Sie versteckten sich hinter der Ecke, als Margot plötzlich trippelnde Schritte neben sich hörte. »Wer seid Ihr?«, ertönte eine Männerstimme.
    Sie fuhr herum. Es war einer der Zwerge ihrer Mutter, Pierre. Er trug ein Tablett mit einer halb geleerten Konfektschale. Unglücklicherweise hatte er sie sofort erkannt.
    »Prinzessin? Weiß Eure Mutter, dass Ihr hier seid?« Der Zwerg starrte den jungen Mann an.
    »Was maßt du dir an, mir solch eine Frage zu stellen? Hast du vergessen, wer ich bin?«, herrschte Margot ihn mit gesenkter Stimme an.
    Ihr Tonfall, so leise er hervorgebracht war, tat seine Wirkung. Der Zwerg zuckte verunsichert zusammen. »Verzeiht!«, murmelte er und watschelte eilig davon. Margot lugte um die Ecke. Die Wache hatte glücklicherweise nichts mitbekommen, da sie gerade in die andere Richtung gegangen war. »Komm!«
    Sie zog Henri mit sich. Kurz darauf drückte sie leise die Türklinke hinunter und trat über die Schwelle.
    Die junge Frau stand am Fenster. Trotz der winterlichen Kälte hatte sie es geöffnet und blickte sehnsüchtig nach draußen. Der Lärm, der vom Hof nach oben drang, hatte sie das Geräusch an der Tür nicht sofort hören lassen.
    Margot wollte sich mit triumphierender Miene zu Henri wenden, als sie überrascht bemerkte, dass dieser in einer schnellen Bewegung unter seinen Umhang gegriffen hatte – dort, wo sich gewöhnlich sein Degen befand. Sein Gesicht war kalkweiß. Ungläubig nahm sie den hasserfüllten Ausdruck in seinen Augen wahr.
    Im selben Augenblick war die junge Frau am Fenster erschrocken herumgefahren, doch Henri hatte schon auf dem Absatz kehrtgemacht und war wieder aus dem Raum gestürmt. Margot blickte die Frau an – dann lief sie ihm bestürzt hinterher.

81
    I n dem Pariser Palais der Lorraine-Guise wandte der Kardinal de Lorraine sich mit aufgebrachter Miene zu dem Herzog d’Aumale. »Ich kann es noch immer nicht begreifen! Wie konnten Coligny und Condé in dieser Schlacht nur entkommen? Zwanzigtausend Mann gegen dreitausend! Wir geben uns nicht nur vor unserem Verbündete dem spanischen König, sondern vor ganz Europa der Lächerlichkeit preis! Wisst Ihr, was der türkische Gesandte gesagt hat, der von den Hügeln von Montmartre aus die Schlacht beobachtet hat?« Der Ton des Kardinals war schneidend geworden, und eine steile Zornesfalte zeigte sich auf seiner Stirn.
    Der Herzog d’Aumale schüttelte unbeeindruckt den Kopf. »Nein!«
    »Wenn sein Herr, der Sultan, nur zweitausend Männer wie diese Hugenotten hätte und sie an die Spitze seiner Armeen stellen könnte, dann würde er in zwei Jahren die gesamte Welt beherrschen!«
    Aumale zuckte die Achseln. »Ihr lasst Euch von den Worten eines Heiden berühren, Bruder? Ich gebe zu, es hätte besser laufen können, doch unser Ziel, die Blockade aufzulösen, haben wir erreicht, und nun sind die Hugenotten erst einmal auf der Flucht, und es herrscht Krieg. Sie werden nicht viele Möglichkeiten haben, uns auf Dauer zu entkommen.«
    Der Kardinal blickte ihn missmutig an. »Wenn die Königinmutter nicht vorher wieder Friedensverhandlungen anstrebt!«
    »Wir werden schneller sein«, versprach der Herzog. Ein plötzlicher Lärm ließ die beiden zur Tür blicken. Schritte und Stimmen waren vom Vorzimmer her zu vernehmen. »Nein, das geht nicht. Seine Eminenz hat Besuch … Aber

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