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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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beeindruckendes Fest«, sagte er mit einer Verbeugung, in deren steifer Haltung wie üblich herablassende Überheblichkeit lag. Sie wusste, dass er log. Der Spanier hielt die Sitten am französischen Hof für roh und unkulti viert, wie die Franzosen insgesamt überhaupt. Ihre Spione hielten sie darüber bestens auf dem Laufenden.
    »Danke, Herzog. Ich bin sicher, meine Tochter Elisabeth wird die Lebendigkeit des französischen Hofs zuweilen in Madrid vermissen«, sagte sie mit honigsüßer Stimme.
    Er lächelte schmallippig. Nur ungern wurde er daran erinnert, dass der spanische König eine Französin geheiratet hatte. »Ihr habt die erfreulichen Nachrichten aus den Niederlanden bereits gehört?«, fragte er, offensichtlich bemüht, das Thema zu wechseln.
    Sie öffnete ihren schwarz-weißen Fächer und hob fragend die Brauen.
    »Graf d’Egmont und Graf de Hornes sind gestern hingerichtet worden. Man hat sie öffentlich enthauptet!«, berichtete ihr Alava mit zufriedener Miene.
    Es fiel ihr gewöhnlich nicht schwer, die Contenance zu bewahren, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihre Gesichtszüge bei dieser Nachricht erstarrten. Egmont und Hornes waren zwei nie derländische Edelleute, die zwar an dem Aufstand beteiligt gewesen waren, aber immer das Gespräch mit dem spanischen König gesucht hatten. In den Adern des Grafen de Hornes floss sogar französisches Blut – er war mit dem Admiral de Coligny verwandt. Es brauchte kein großes Vorstellungsvermögen, um zu erahnen, für welchen Aufruhr diese Hinrichtung unter den französischen Hugenotten sorgen würde. Die Blutrünstigkeit, mit der man in den Niederlanden gegen die ehemaligen Aufständischen vorging, erzürnte die Medici zunehmend.
    »Ihr seht mich überrascht. Gehörten Egmont und Hornes nicht zu denjenigen, die dem König ihre Treue versichert haben und nicht einmal protestantisch waren?«, fragte sie.
    Der Spanier zuckte mit den Achseln. »Es hat sie dennoch nicht daran gehindert, den Aufstand zuvor zu unterstützen und da für einzutreten, dass man diesen ketzerischen Glauben tolerieren sollte!« Ein verächtlicher Ausdruck huschte über sein Gesicht, während er von einem Diener ein Glas Wein entgegennahm. »Mein Herr, der König von Spanien, ist glücklicherweise immer überzeugt davon gewesen, dass man gegen diese Brut nur mit harter Hand vorgehen kann. Eine Tatsache, der man sich in Eurem eigenen Königreich, wenn Ihr mir die Bemerkung erlaubt, auch bewusster sein sollte!«
    Ihre Finger umspannten mit festem Griff den Fächer, und sie erwiderte den Blick des Botschafters, ohne sich anmerken zu lassen, wie viel Kraft es sie kostete, ihn für seine unverschämte Be merkung nicht in die Schranken zu weisen. »Sicherlich, es wäre ohne Frage das Beste, wenn man mit dem Admiral de Coligny und dem Prinzen de Condé in der gleichen Weise verfahren würde«, sagte sie mit beißender Ironie, die dem Herzog jedoch entging.
    Er beugte sich mit glühenden Augen zu ihr. »Euer Majestät, Euer Schwiegersohn, der König von Spanien, würde Euch in diesem Kampf jederzeit unterstützen. Und nicht nur er – auch der Papst …«
    Die Medici lächelte kühl. Es war in der Tat nicht das erste Mal, dass man ihr finanzielle Hilfe versprach, wenn sie mit härterer Hand gegen die Protestanten vorgehen würde. Philipp wusste, dass Frankreich ausgeblutet war. Dieser Umstand war demütigend genug. Sie bedauerte, dass sie diesem schmierigen Spanier nicht offen ins Gesicht sagen konnte, was sie von ihm und seinem werten Herrn wirklich hielt, doch man konnte nie wissen, welche Unterstützung sie vielleicht doch einmal in Anspruch nehmen musste.
    Sie unterließ es, auf Alavas Bemerkung zu antworten, und musterte stattdessen den Zwerg, der hinter ihm stand. Seine rotbraunen Haare gefielen ihr. Er neigte mit einer übertriebenen Geste den Kopf, als er ihren Blick bemerkte. »Ein reizendes Kerlchen. Er gehört Euch?«, fragte sie den Spanier.
    Alava nickte. »Ja, ein Geschenk des Kardinals de Lorraine«, erklärte er.
    »Wie aufmerksam«, sagte sie kühl. Die Guise ließen wahrlich nichts unversucht, dachte sie. Sie nickte dem Spanier knapp zu, um das leidige Gespräch mit ihm zu einem Ende zu bringen, und ging mit ihren Hofdamen weiter. Dabei glitt ihr Blick zur anderen Seite des Saals. Ein junger Mann im golddurchwirkten Kostüm eines Jägers stand dort – ihr Sohn, der König. Eine Gruppe von Menschen umringte ihn, unter denen sie auch die hochgewachsene Gestalt des

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