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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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vertrauen!«
    Madeleine wurde übel, als sie begriff, was er meinte.
    Lebrun musterte sie kalt. »Du hast versucht, uns zu hintergehen, und gewöhnlich verzeihe ich das nicht, aber du wirst eine zweite Chance bekommen – und es wird deine letzte sein, Madeleine.« Er beugte sich erneut dicht zu ihr. »Nicolas de Vardes scheint mir nicht der Mann zu sein, der Schwierigkeiten damit hätte, dass eine Hexe in seinem Bett liegt, aber von allem, was ich über ihn weiß, kann ich dir sagen, dass er ganz sicher nicht der Mann ist, der einen Verrat jemals verzeihen würde. Ich hoffe, du hast diesmal verstanden, was ich meine?«
    Sie nickte stumm.
    »Gut. Im Übrigen wäre es doch nicht weniger bedauerlich, wenn Monsieur de Vardes etwas zustoßen würde, oder? Ich über lasse es ganz deiner Fantasie, dir auszumalen, was alles geschehen könnte, falls du es wagen solltest, uns noch einmal zu enttäuschen.«
    Sie blickte ihn starr vor Entsetzen an und begriff, dass sie in eine Falle geraten war, aus der sie niemals entkommen würde.
    »Und nun wirst du mir erzählen, was da in Noyers los ist!«, sagte Lebrun ruhig. »Weshalb sammeln sich die Hugenotten auf dem Anwesen des Prinzen de Condé?«
    Stockend berichtete Madeleine ihm von den Truppen, die man unweit Gien gesichtet hatte, und erzählte ihm, wie sie erst nach Tanlay und dann nach Noyers gekommen war.
    »Und du weißt nicht, was die Hugenotten nun tun wollen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, wirklich nicht«, sagte sie und war froh, dass ihr Nicolas nichts gesagt hatte.
    Er betrachtete sie nachdenklich. »Die Hugenotten werden vermutlich nicht in Noyers bleiben. Es gibt Gerüchte, dass sie nach Orléans oder La Rochelle gehen wollen. Du wirst vorerst bei ihnen bleiben«, bestimmte er.
    »Aber wie werdet Ihr an meine Briefe kommen?«
    »Wir werden dich finden. Wie du inzwischen vielleicht verstanden hast, ist das Netz unserer Agenten weiter und vielfältiger, als du vermutet hast.« Einen Augenblick lang schwieg er. »Es kann gut sein, dass es vorher zu Zwischenfällen mit katholischen Truppen kommt. Falls ihr in Noyers angegriffen werdet, zeig ihnen das hier …«
    Er griff in die Tasche seines Umhangs und reichte ihr eine Mün ze mit der Abbildung eines weißen Kreuzes.
    Madeleine erinnerte sich, dass die Menschen in Paris dieses Zeichen auf ihren Hüten oder Umhängen getragen hatten. Es war das Erkennungsemblem der Katholiken. Sie starrte auf das Kreuz, und sie verstand, dass Lebrun ihr die Münze nicht gegeben hätte, wenn er nicht wirklich von einem Angriff ausgehen würde. Auf der Rückseite befand sich sogar ein königliches Siegel.
    »Zwischenfälle?« , fragte sie tonlos. »Sagtet Ihr und die Königinmutter nicht, dass man ein Gleichgewicht zwischen Protestanten und Katholiken braucht?«
    Er nickte. »Ja, das stimmt, aber manchmal ist auch die Macht einer Königinmutter zu begrenzt, um dieses Gleichgewicht halten zu können.«
    Später, als sie schon längst wieder mit dem Arzt auf dem Karren zum Schloss zurückgefahren war, hallten seine letzten Worte noch immer durch ihren Kopf, und ihr war klar, dass die Gefahr, in der sich die Hugenotten befanden, weit größer war, als diese selbst ahnten.

104
    D er Schock und die Angst setzten verspätet ein. Sie fühlte sich wie betäubt, als sie wieder zurück war und zu ihrer Kammer ging.
    Erst als sie die Klinke der Tür hinunterdrückte, spürte sie, dass sie am ganzen Leib zitterte und wie die vor Lebrun mühsam aufrechterhaltene Fassade in sich zusammenstürzte.
    Es war aussichtslos – es gab keine Chance, den Fängen dieses Mannes und der Medici zu entkommen. Den Geheimdienstchef mit unwichtigen Informationen hinzuhalten war ein fürchter licher Fehler gewesen. Nun musste sie bitter dafür bezahlen, denn Lebrun kannte ihre größte Schwachstelle, und sie hatte nicht nur sich selbst, sondern auch Nicolas in Gefahr gebracht. Bei dem Gedanken, man könnte ihm etwas antun, schnürte sich ihr vor Angst die Kehle zu. Sie wusste, dass sie keine andere Wahl hatte, als Lebrun von nun an Bericht zu erstatten, ihm zumindest einige Informationen zukommen zu lassen, die ihn zufriedenstellen würden. Sie hasste ihn dafür, und der Geheimdienstchef ahnte ganz sicher nicht, dass sein Verhalten sie nur noch weiter in die Arme der Protestanten trieb.
    Ihre Finger ertasteten die Münze in ihrer Rocktasche. Am liebsten hätte sie das Erkennungszeichen weggeworfen, das sie so als Verräterin brandmarkte.
    Schon lange fühlte sie

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