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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Ihre Mundwinkel verzogen sich verächtlich. »Der Kardinal versichert dem spanischen König darin, mit allen Mitteln für ein katholisches Frankreich zu kämpfen, und bittet um seine Unterstützung!« Ihr Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel, was sie von dem weiteren Verrat dieses Mannes hielt. Sie würde es sich dem Kardinal gegenüber indessen nicht anmerken lassen, das wusste Lebrun. Catherine de Medici war eine Meisterin darin, sich zu verstellen, besser als jeder Spion. Ihre Fähigkeit, ihre persönlichen Gefühle vollständig zurückzustellen und in taktischer Weise so zu agieren, wie es ihr die Vernunft gebot und für ihre Ziele notwendig war, beeindruckte den Geheimdienstchef immer wieder aufs Neue. Etwas Unmenschliches lag in dieser Kaltblütigkeit, die vermutlich ein Charakterzug der Medicis war.
    Die Königinmutter trommelte nachdenklich mit den Fingern auf die Tischplatte. »Glaubt Ihr, Coligny ist gefährdet?«
    Lebrun schüttelte den Kopf. »Nicht in Paris. Die Guise schmieden sicherlich Rachepläne, aber nach dem Urteil des Königs würden sie es nicht wagen, ihn hier anzugreifen. Und der Admiral ist überaus vorsichtig.«
    Sie blickte ihn an. »Ich möchte, dass Ihr Eure Kräfte in besonderer Weise darauf ausrichtet, ihn zu schützen.«
    Er nickte. Es war ihm selbst nur zu bewusst, welche verheerenden Konsequenzen der Tod Colignys jetzt hätte – ein Bürgerkrieg wäre dann nicht länger zu vermeiden und würde abermals das gesamte Land erfassen.

19
    M adeleine wrang das letzte Stück Wäsche aus und legte es zu den anderen in den Korb. Ihre Hände waren von dem kalten Wasser gerötet, und sie wischte sie an der Schürze ihres grauen Kleids trocken. Um sie herum summte es wie in einem Bienenstock – auch die missbilligenden Blicke der Nonnen schafften es nicht, dem Stimmengewirr der Mädchen an diesem Frühsommertag am Fluss Einhalt zu gebieten. Einige von ihnen saßen auf umgedrehten Eimern oder zusammengerollten Bündeln, doch die meisten knieten wie Madeleine auf dem Holzsteg, der längs auf der Höhe des Wassers ans Ufer gebaut worden war, um die Wäsche zu waschen, die sie vorher oben auf den Steinen ausgeschlagen hatten. Mindestens einmal im Monat verrichteten sie diese Arbeit unten am Fluss, der entlang des Klostergeländes verlief. Ein Überbau mit einem Dach schützte sie vor Unwetter und Regen, aber heute stand weder das eine noch das andere zu befürchten. Der Himmel über ihnen zeigte ein strahlendes Blau. Madeleine bemerkte, dass die Oberin, die oben an der Böschung stand, sie beobachtete. Seit dem Vorfall mit Françoise ließ sie sie nicht mehr aus den Augen. Mit einem leichten Frösteln erinnerte sich Madeleine daran, wie sie ihr einige Tage danach allein im Kreuzgang begegnet war. Die Nonne hatte sie unerwartet mit einem schmerzhaften Griff am Oberarm gepackt und zu sich herangezogen. »Die Äbtissin und Schwester Philippa kannst du vielleicht täuschen, aber mich nicht. Ich weiß, wessen Brut du bist!«, hatte sie gezischt. Die abgrundtiefe Abscheu, die ihr aus ihrer Stimme entgegengeschlagen war, hatte Madeleine entsetzt zurückweichen lassen. Doch dann hatte die Oberin sie genauso plötzlich wieder losgelassen und war weitergegangen.
    Erleichtert atmete Madeleine auf, als sie sah, wie sich die Gestalt der Nonne jetzt wieder abwandte und vom Flussufer entfernte.
    Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die erhitzte Stirn und streckte sich. Die Arbeit am Fluss war anstrengend. Sie schlang ihr herausgerutschtes Haar zu einem Knoten, steckte es wieder unter ihre Haube und griff nach ihrem Korb. Dabei musste sie wieder an den fremden Reiter denken, dem sie letzte Woche vor dem Wirtshaus L’Auberge begegnet war. Sein Gesicht mit der Narbe hatte etwas Furchteinflößendes gehabt, genauso wie der Blick, mit dem er sie gemustert hatte. Sie war sich sicher, dass er nicht hier aus der Gegend stammte. Er war anders gewesen als die meisten Menschen, die sie in ihrem Leben bisher getroffen hatte.
    »Puh, mein Rücken fühlt sich furchtbar an«, sagte Louise, die neben ihr ebenfalls mit einem lauten Klatschen das letzte Stück in ihren Korb fallen ließ. »Träumst du?«, fragte sie dann verdutzt.
    »Ich? Aber nein.« Zu ihrem Ärger spürte Madeleine jedoch, wie sie verlegen wurde.
    Louise blickte mit einem Grinsen auf die Wangen der Freundin, die eine leichte Röte überzogen hatte. »Was denn? Malst du dir gerade deinen Zukünftigen aus?«
    »Unsinn!«, erwiderte Madeleine eine Spur zu

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