Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht
und unzählige andere Gerichte, die Madeleine noch nie in ihrem Leben gesehen hatte.
Charlotte de Laval hatte sich zu ihr gedreht. »Nehmt etwas von der Pastete. Sie schmeckt köstlich«, sagte sie, als würde sie um Madeleines Verwirrung angesichts des reichlichen Angebots wissen. »Wollt Ihr mir nicht ein wenig über Euch erzählen?«, frag te sie dann. »Woher stammt Ihr ursprünglich, Mademoiselle?« Ihre braunen Augen sprühten vor Herzlichkeit, die Madeleine sofort ihre Befangenheit nahm.
»Ich bin in Éclaron aufgewachsen, bevor ich zu den Zisterzienserinnen von St. Angela gekommen bin. Aber geboren bin ich in der deutschen Pfalz, in Zweibrücken«, erzählte sie, während sie die anderen Gäste beobachtete, die sich mit ihren Gabeln von den Platten nahmen, und es ihnen zögernd gleichtat.
Charlotte de Laval wirkte verwundert. »In der Pfalz? Und doch seid Ihr Katholikin, wie man mir sagte, und nicht Lutheranerin? Ist das nicht ungewöhnlich? Die Kurfürsten der Pfalz sind doch eigentlich Anhänger Luthers, nicht wahr?«
Madeleine schaute sie irritiert an. »Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich war noch ein kleines Kind, als ich mit meiner Mutter nach Frankreich gekommen bin.«
»Aber natürlich.« Colignys Gemahlin lächelte. »Verzeiht mei ne Neugier. Wenn Ihr übrigens das Bedürfnis habt, an einem Gottesdienst Eurer eigenen Gesinnung teilzunehmen – nur unweit von Châtillon gibt es auch eine katholische Kirche.«
Sie bemerkte Madeleines sichtlich überraschten Gesichtsausdruck und lachte. »Weshalb schaut Ihr so verwundert? Wir respektieren in unserem Land beide Religionen. Gott allein kann Euch den Weg zu ihm weisen«, sagte sie, während sie einen Schluck Wein trank.
Madeleine biss nachdenklich ein Stück von ihrem Brot und der Pastete ab. Es schmeckte tatsächlich köstlich, und doch verspürte sie keinen Appetit.
Erst jetzt bemerkte sie, dass Vardes ihr schräg gegenübersaß. Offensichtlich hatte er die letzten Sätze ihres Gesprächs mitbekommen. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke. Dann neigte er mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck den Kopf in ihre Richtung.
Madeleine spürte, wie der Wein und das Essen eine Hitze in ihren Wangen aufsteigen ließen. Gesprächsfetzen drangen von allen Seiten zu ihr. »Ich begreife Eure Zurückhaltung nicht«, hörte sie einen Mann zu Coligny sagen. »Man hatte dem Prinzen de Condé das Kommando der Armee zugesagt. Und es gibt niemand, der geeigneter wäre, um es auszuüben, und nun hat sie diesen Schwachkopf Henri d’Anjou, einen Knaben, ernannt? Welche Bestätigung braucht Ihr noch, um zu sehen, dass diese Florentinerin ein falsches Spiel mit uns treibt? Es wird Zeit, die Waffen zu ergreifen«, stieß er verärgert hervor. Erst jetzt fiel Madeleine auf, dass die Züge des Mannes eine frappierende Ähnlichkeit mit denen des Admirals aufwiesen, und sie erriet, dass er dessen Bruder war. Sie erinnerte sich, während der Reise einmal gehört zu haben, dass Coligny drei Geschwister besaß – eine Schwester und zwei Brüder. Alle vier hatten sich öffentlich zum Protestantismus bekannt. Einen Skandal hatte das besonders bei Odet de Châtillon, dem Ältesten, ausgelöst, der zuvor ein katholischer Kardinal gewesen war. Der Jüngere dagegen, François – um den es sich hier augenscheinlich handeln musste –, hatte sich wie der Admiral beim Militär verdient gemacht.
»Ich bin gegen einen Krieg, wenn wir ihn vermeiden können, das wisst Ihr!«, erwiderte Coligny, ohne sich von den Worten seines Bruders aus der Ruhe bringen zu lassen. »Im Übrigen hat es sich noch nie als klug erwiesen, vorschnell zu handeln.«
Ronsard beugte sich über den Tisch in Richtung des Admirals. »Wie schätzt der Prinz de Condé denn die Lage ein? Hat man ihm am Hof eine Erklärung für diese Entscheidung gegeben?«
»Eine Erklärung?« Coligny lachte kalt auf. »Als wenn die Me dici so etwas jemals für nötig befunden hätte! Im Gegenteil, sie hat mit gelangweilter Gleichgültigkeit reagiert, als der Prinz verkündete, dass er den Hof unter diesen Umständen verlassen würde.«
Madeleine versuchte zu begreifen, worüber die Männer sprachen. Der Prinz de Condé war ein Cousin des Königs und Anführer der hugenottischen Partei im Rat, wusste sie. Obwohl sie nicht viel von Politik verstand, begriff sie, dass es kein gutes Zeichen sein konnte, wenn er sich vom Hof zurückgezogen hatte.
Die Stimmen um sie herum waren erregter geworden. »Wenn wir nicht
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