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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Coffey
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Pub war? Er konnte ihn ja nicht mit reinnehmen. Vielleicht musste er ihn für eine Weile im Lieferwagen einsperren. Bens Gebrüll wurde immer lauter und ging Seán allmählich auf die Nerven. Er hatte bohrende Kopfschmerzen, wahrscheinlich von der Tablette, die Kate ihm gestern Abend gegeben hatte.
    »Halt die Klappe, Ben, alles in Ordnung! Du kennst mich doch, oder etwa nicht? Ich bin’s, Seán. Sei endlich still!« Er brüllte jetzt auch, weil ihn das schrille Kreischen seines Bruders verrückt machte.
    Je lauter Seán bellte, umso mehr fürchtete Ben sich und umso lauter jammerte er. Seán meinte, das Wort »Mammy« verstanden zu haben und lachte.
    »Mammy? Deine Mammy ist schon lange tot, Ben, und das ist kein großer Verlust. Sie war eine Hure, genau, eine Hure!«
    Ben biss sich in die Hand, bis ihm das Blut auf den Ärmel tropfte, worauf er noch lauter jammerte.
    Seán bemerkte, dass Ben nicht angeschnallt war und griff nach hinten, um seinen Bruder festzuhalten, als er abrupt von der Hauptstraße auf eine kleine Nebenstraße abbog, auf der ihn bestimmt niemand vermuten würde. Ben schrie auf aus Angst, dass Séan ihn schlagen wollte, und fing an hin- und herzuschaukeln. Seán überlegte, ob er anhalten und seinen Bruder einfach aussetzen sollte. Irgendjemand würde ihn
bestimmt finden und wieder nach Hause bringen. Erschrocken verwarf er diesen Gedanken und fragte sich fassungslos, wie er so etwas überhaupt in Betracht ziehen konnte. Bist du wahnsinnig geworden? dachte er im Stillen. Er brauchte doch nur ein paar schnelle Drinks, danach würde er Ben wieder nach Hause bringen und das Donnerwetter über sich ergehen lassen. Er dachte an Kates Gesichtsausdruck, als er davongefahren war, und der war unbezahlbar. Diese Hexe. Er war aufgewacht, als sie die Tür des Lieferwagens zugeworfen hatte. Bei einem Blick durch die geöffneten Vorhänge hatte er Tess vor dem Fenster stehen sehen, wie sie ihn angeglotzt hatte mit ihrem unheimlichen, bleichen Gesicht, die Autoschlüssel in der Hand. Seán rieb sich die Augen, und dann war sie verschwunden. Hatte er geträumt? Der Lieferwagen stand unverschlossen vor der Tür, und er witterte eine Gelegenheit, für eine Weile zu verschwinden. Er hatte in seinen Kleidern geschlafen und schlüpfte hastig in die Schuhe, stürzte hinaus und entdeckte die Schlüssel auf dem Fahrersitz. Ben saß zwar auf dem Rücksitz, aber er wollte sich nicht damit aufhalten, ihn an die Luft zu setzten. Als er sich fragte, warum sein Bruder eigentlich nicht in der Schule war, da war es bereits zu spät.
    Seán hielt in einer Einfahrt an und wickelte ein Taschentuch um Bens blutende Hand. Er sah ihm für einen Augenblick in die Augen, die vor Angst flackerten, und wandte sich hastig ab, um nicht in Versuchung zu kommen umzukehren.
    »Na, komm schon, Ben, ist doch bloß eine kleine Vergnügungsfahrt, okay?« Ben wehrte sich, als Séan ihm den Arm um die Schulter legen wollte, schaukelte immer heftiger und schlug unter lautem Gebrüll unablässig mit dem Hinterkopf gegen die Kopfstütze. »Sei ruhig, Ben, bitte, sei ruhig! Ich hab Kopfweh, und du machst es nur noch schlimmer!«

    Seán wollte seinen Bruder anschnallen, führte den Sicherheitsgurt um ihn herum und fuhr zurück, als Ben vorschnellte und ihn in die Schulter biss.
    »Also gut, wie du willst, du kleines Arschloch!«, sagte er und trat aufs Gas.
    Seán jagte über die enge, kurvige Landstraße. Er war froh, dass keine Schulbusse mehr unterwegs waren, die man hier kaum überholen konnte. Als er schließlich wieder auf die Hauptstraße nach Knockbeg einbog, bremste er so heftig, dass er auf dem weichen Untergrund kurz ins Rutschen geriet.
    »Hoppla! Das war knapp, Ben!«
    Er warf einen Blick in den Rückspiegel. Sein Bruder wimmerte jetzt nur noch und leckte sich durch das schmutzige Taschentuch hindurch die Hand. Es waren nur wenige Fahrzeuge unterwegs, die alle einen Anhänger hinter sich herzogen. Es musste Markttag sein. Er überholte das erste Gespann und schwenkte wieder auf seine Spur, bevor er die beiden nächsten Gespanne in Angriff nahm, die dicht hintereinander herfuhren. Allerdings musste er, noch bevor er vorbeiziehen konnte, einem entgegenkommenden Fahrzeug ausweichen, was er nur mit knapper Not schaffte. Dabei konnte er gerade noch sehen, wie der Fahrer im Wagen hinter ihm die erhobene Faust schüttelte. Seán revanchierte sich mit dem gestreckten Mittelfinger, bevor er zu seiner Bestürzung erkannte, dass es sich um einen

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