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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Coffey
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Priester blickte auf, ohne seine Gebete zu unterbrechen, und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Dermot stellte sich neben Tess, die auf einen Tadel gefasst zu ihm aufblickte.
    »Vielleicht könnten wir alles, was wir zu sagen haben, nur in Gedanken sagen, Tess?«, flüsterte er.
    Lautlos fuhr Tess fort und formte Seáns restliche Sünden nur noch mit den Lippen. Dann zupfte sie an dem steifen, weißen Laken, bis es auch seine Füße bedeckte, und strich es sorgfältig glatt. Kate lächelte. Stumm verabschiedeten sie sich von Seán und vergaben ihm all das Unrecht, das er ihnen angetan hatte. Aber Kate schaffte es nicht, ihm zu vergeben, was er Ben angetan hatte, und hoffte, dass Gott das für sie erledigte.
    Um halb acht, als sich die Spätnovembersonne dieses klaren, frostigen Morgens ihren Weg durch die Krankenhausjalousien bahnte, betraten zwei Ärzte das Zimmer und zogen
den Beatmungsschlauch aus Seáns Mund. Tess war gespannt, ob er jetzt etwas sagte. Das Piepsen aus dem lauten Gerät wurde langsamer, bis nur noch ein einziger, lang gezogener, schriller Ton zu hören war. Tess hielt sich unwillkürlich die Ohren zu, ließ aber schnell wieder die Hände sinken, weil sie wusste, dass Kate das überhaupt nicht leiden konnte. Um sich von dem quälenden Geräusch abzulenken, fing sie an, die Kacheln an der Wand zu zählen. Der Doktor blickte auf seine Armbanduhr und schrieb etwas auf Seáns Krankenblatt. Der Priester legte sich ein langes, schmales, violettes Tuch um den Hals und sprach ein leises Gebet für Seán. Kate und Dermot bekreuzigten sich, und Tess machte es ihnen schnell nach. Erst, als Kate in Tränen ausbrach, begriff Tess, dass ihr großer Bruder tot war. Leise und ohne dass es jemand bemerkte, zog sie ihr Notizbuch aus der Manteltasche, strich Seáns Namen durch und starrte auf den letzten Eintrag in ihrer Liste: Kate.
     
    Kate hätte gerne ein Doppelbegräbnis für Seán und Ben vermieden, doch sie wusste, dass sie die Belastung zweier Beerdigungen nicht verkraftet hätte, dass sie das Mitleid der Leute nicht ertragen konnte, die, solange Ben gelebt hatte, nie nach ihm gefragt und Kate kein einziges Mal besucht hatten, obwohl sie wussten, dass sie sich alleine durchschlagen musste. Ihr »Vater« hatte zwar immer noch Verwandte in der Gegend, aber seit seinem Tod hatte sich verständlicherweise keiner mehr bei ihr blicken lassen. Eigentlich wollte Kate nicht, dass Seán und Ben im selben Grab beerdigt wurden, doch sie wusste, dass ihre Mutter, die direkt nebenan lag, es so gewollt hätte.
    Es hatte auch keine Totenwache zu Hause gegeben, ihren kleinen Bruder in diesem Zustand aufzubahren, hätte Kate
das Herz gebrochen. Sie wollte ihn so in Erinnerung behalten, wie er gewesen war. Und eine Totenwache für Seán kam nicht in Frage, da die wenigen freundlichen Erinnerungen, die sie an ihn hatte, irgendwo in den Tiefen ihres Gedächtnisses begraben waren. Sie gehörten zu einer Zeit, als sie noch ein junges Mädchen gewesen war, und diese Zeit war endgültig vorbei. Sie wollte sich nicht verstellen.
    In den ersten drei Nächten nach dem Unfall hatte sie keinen Schlaf finden können, bis der Doktor ihr endlich Schlaftabletten verschrieb, die ihrer gequälten Seele wenigstens vorübergehend ein wenig Ruhe verschafften. Manchmal, wenn sie aufwachte, vergaß sie für einen Augenblick, was geschehen war, bis der Alptraum wieder über sie hereinbrach und den Tag zu einer einzigen Qual machte und sie sich nur noch nach der Nacht und der wohligen Entspannung durch die Tabletten sehnte.
    Sie stand am Grab und stützte sich auf Tess, die ihr Halt geworden war. Dermot stand etwas abseits bei seiner Tante und seinem Onkel und ließ bekümmert seinen Blick auf ihr ruhen. Unbekannte Menschen gaben ihr die Hand, manche küssten sie und drückten ihr Beileid aus. Auch Noel Moore war gekommen, alleine, seine Mutter war erst vor wenigen Monaten gestorben. Er hatte ihr die Hand gegeben und gesagt, sie solle sich bei ihm melden, wenn sie irgendetwas brauchte. Der Priester sprach über die Tragödie und den Verlust, doch seine Worte verschwammen in einer Wolke aus Lauten und Litaneien. Da Kate keine weiteren Angehörigen hatte, hatten Dermots Onkel und Tante in ihrem Pub ein paar Erfrischungen vorbereitet und weigerten sich hartnäckig, Geld dafür zu nehmen. Sie hatten gemerkt, dass ihr Neffe ein Auge auf Kate geworfen hatte, und hofften im Stillen, dass sie vielleicht eines Tages eine Familie werden würden. Kate

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