Das Maedchen mit den Schmetterlingen
saß in der muffigen
Gaststube, ohne etwas zu essen. Seit Bens Tod brachte sie keinen Bissen mehr hinunter.
Als die Trauergäste sich schließlich verabschiedeten, brachte Dermot Kate und Tess in das leere Haus zurück. Kate hatte den ganzen Tag kein Wort mit ihm geredet, und obwohl ihm bewusst war, dass es ein schwerer Tag für sie gewesen war, wurde er das Gefühl nicht los, dass mehr dahintersteckte. Ihre abweisende Miene beunruhigte ihn. Er bot an, bei ihr zu bleiben, doch sie lehnte dankend ab, gab ihm einen Kuss und drückte leise die Tür ins Schloss.
Kurz darauf hörte Kate ein lautes Hämmern am Hoftor. Sie blickte zum Fenster hinaus und sah, wie Tess ihr Land-der-Schmetterlinge -Schild an den Holzpfosten neben dem Briefkasten nagelte, woran Seán sie endlich nicht mehr hindern konnte.
»Was ist das für eine einfache Welt, in der du lebst, Tess«, murmelte Kate.
Als Tess eintrat, lächelte sie Kate an und setzte sich wortlos auf den Stuhl neben dem Ofen, ihren Lieblingsplatz.
Kate setzte sich dazu.
»Und nun, Tess, was sollen wir jetzt machen?«
Tess gab keine Antwort. Sie hatte begriffen, dass es keine Frage gewesen war.
Kapitel 43
1981
S am Moran tippte eifrig seinen wöchentlichen Marktbericht und beobachtete verstohlen Talbots Sohn, der vor kurzem aus den Staaten zurückgekehrt war und sich jetzt überall im Büro breitmachte. Der junge Talbot hatte sich einen leichten amerikanischen Akzent zugelegt, was Sam ziemlich auf die Nerven ging. Er hasste es, wenn jemand, der in Irland geboren und aufgewachsen war, einen Akzent aufschnappte, kaum dass er woanders aus dem Flugzeug gestiegen war. Wie in London damals, wo sich das breiteste Dubliner Irisch binnen weniger Wochen in einen Cockney-Akzent verwandelt hatte. Hier würde es jedenfalls die eine oder andere Veränderung geben, und er überlegte, ob er sich vielleicht nach einem anderen Job umsehen sollte. Das würde aber bedeuten, dass er jeden Tag nach Dublin fahren musste, da dies hier die einzige Zeitung weit und breit war. Er musste versuchen, den Byrne-Mord zu vergessen. Bis jetzt war kein Tag vergangen, an dem er nicht darüber gegrübelt hatte, doch seine spärlichen Ideen, wie er sich die notwendigen Informationen am besten beschaffen konnte, waren alle im Sande verlaufen. Und jetzt hatte Talbot ihm und Ken, dem jungen Volontär, den Auftrag erteilt, die Nachrufe zu verfassen, was noch langweiliger war als die Marktberichte. Was an diesen alten Knackern eigentlich so interessant sein sollte, konnte Sam beim besten Willen nicht verstehen.
Der Nachruf für Seán Byrne jedoch, der war was anderes. Zum Zeitpunkt des Unfalls war Sam auf der Beerdigung seines Onkels in London, und so hatte er erst bei seiner Rückkehr davon erfahren, als die Meldung schon wieder veraltet war. Die Zeitung hatte über den tragischen Unfall der Byrne-Brüder berichtet, hatte aber, aus Rücksicht auf die übrigen Familienmitglieder und um keine alten Wunden aufzureißen, den vor vielen Jahren verübten Mord an Michael Byrne mit keinem Wort erwähnt, was Sam ohne mit der Wimper zu zucken getan hätte.
Als er sich die Bilder auf den Nachrufseiten ansah, fiel sein Blick auf das Foto von Seán Byrne, das Ken in der Schule im Ort ergattert hatte und noch aus Seáns Schulzeit stammte. Er sah sich den rothaarigen, sommersprossigen Jungen, der scheu in die Kamera lächelte, genau an. Dann legte er das Foto auf Kens Schreibtisch zurück, um sich einen Kaffee zu holen.
Auf halbem Weg machte er plötzlich kehrt, ging mit schnellen Schritten zurück zum Schreibtisch des Volontärs und nahm sich das Bild von Seán Byrne noch einmal genauer vor. Tatsächlich!
Seán Byrne war Éamonn McCracken wie aus dem Gesicht geschnitten! Er holte tief Luft und atmete vernehmlich wieder aus. Mit einem Mal fügte sich alles zusammen. McCraken war Seán Byrnes Vater. Jetzt war ihm klar, weshalb McCracken ihn gewarnt hatte, und er glaubte auch zu wissen, wer Michael Byrne ermordet hatte und was er tun musste, um es zu beweisen.
Seit der Beerdigung hatte Dermot Lynch sich jeden Tag auf dem Hof der Byrnes eingefunden, und jedes Mal war seine Sorge um Kate gewachsen. Sie war bleich und verhärmt und
weigerte sich zu essen, weil ihr, wie sie behauptete, ständig übel war. Der Doktor meinte, dass ihre Nerven sich im Lauf der Zeit wieder beruhigen würden. Wenn Dermot versuchte, sie in den Arm zu nehmen, wich sie ihm aus, und wenn er mit ihr reden wollte, flüchtete sie in ihr Zimmer und
Weitere Kostenlose Bücher