Das Mädchen mit den Teufelsaugen
war so furchtbar kalt.»
«Nein!», donnerte der Abt. «Sündig waren sie. Wegen ihrer Schuld hat das Kloster gebrannt. Man erkennt es an ihrem Tod.»
«Heißt es nicht, die Gott liebt, die holt er früh zu sich?», wagte Rosamund einen Widerspruch.
Ein Arm legte sich um ihre Schultern. Es war Gunhilde. «Lass ihn, reize ihn nicht, bitte! Wir sind in seiner Hand.»
«Da hörst du es!», keifte der Abt. «Ich bin es, der Euch sagt, was nun geschieht. Verteilt werdet ihr. In andere Klöster werdet ihr gehen. Immer zwei zusammen. Und ich werde darauf achten, dass die Freundinnen getrennt werden. Ihr habt Gott euer Leben geschenkt, dürft nicht einen Teil davon an Erdenfreundschaften geben.»
Schwer atmend ließ er von Rosamund ab, hockte sich auf die Bank und trank den gereichten Würzwein in einem Zug. Dann musterte er Rosamund noch einmal gründlich, hob den Finger und zählte je zwei Schwestern ab. «Du und du, ihr geht nach Andernach. Und du da mit dem braunen Haar, du gehst nach Ruppertsheim und nimmst die hier vorn mit.»
Es gab Tränen. So viele Tränen. Die Schwestern fielen sich weinend in die Arme, nahmen Abschied von allem, was ihnen lieb war, ohne noch ganz begriffen zu haben, welchem Schicksal sie gerade entronnen waren.
Rosamund stand still an der Wand, wagte vor dem Abt nicht den Wunsch zu äußern, dass sie in ein Kloster mit Bibliothek kommen wollte.
Die Oberin stand stumm in ihrer Nähe, tat nichts, um ihren Schäfchen zu helfen. Nur Gunhilde wagte Einspruch, als man sie von Salesiana trennen wollte, doch vergeblich. Sie wurde in den Süden geschickt, ihre Herzensschwester in den Norden.
Dann waren alle Benediktinerinnen verteilt, nur Rosamundwar übrig. Leise, zaghaft richtete sie das Wort an den Abt. «Und ich, was wird aus mir? Wo soll ich hin?»
Der Mann zuckte mit den Achseln. «Du hast noch kein Gelübde abgelegt, oder?», fragte er. «Bist nicht eingekleidet, hast noch deinen alten Namen?»
«Ja, so ist es, Hochwürden.»
«Nun, dann bist du auch keine Benediktinerin, unterstehst nicht meiner Hoheit, gottlob.»
«Was bedeutet das, Hochwürden?» Rosamund bekam Angst. Sie stand allein und frierend im Nachthemd, nur mit einer Decke um den Schultern. Sie hatte kein Zuhause mehr, ihr neues Heim war eine rauchende Ruine in ihrem Rücken.
«Was heißt das für mich, Hochwürden?»
«Ich bin nicht zuständig für dich, muss, kann und darf dich nicht vermitteln. Geh dorthin, wo du hergekommen bist.»
«Aber ich habe kein Heim mehr, kann nirgends zurück.»
«Ist das meine Schuld, dass Gott dich jetzt an diesen Platz gestellt hat?», fragte der Abt und sah sich beifallheischend um, sein Adlatus grinste zustimmend.
«Natürlich nicht, Hochwürden. Aber Ihr seid ein Christenmensch, müsst Nächstenliebe üben.»
«Oh, das tue ich, das tue ich. Ich liebe meinen Nächsten wie mich selbst. Und weil ich das tue, habe ich für eine wie dich keinen Platz. Ich werde doch dem Herrn nicht ins Handwerk pfuschen.»
Zwölftes Kapitel
Alles ging so schnell, dass Rosamund es kaum begriff.
Das letzte Wort des Abtes war noch nicht verklungen, als draußen Fuhrwerke auf den Hof rumpelten. Es waren die Mönche vom Nachbarkloster. Sie sprangen herab, stürmten das Gästehaus, luden auf, was nicht angenagelt war: Bänke, Tische, Krüge, Teller, Strohsäcke, Kerzenhalter samt Kerzen, Kissen, Waschgeschirre und Sitzfelle. Einer riss die hölzernen Läden aus den Angeln, ein anderer nahm Rosamund die Decke von den Schultern.
Auch die Vorratsräume wurden geplündert. Säckeweise verschwanden Mehl, Salz, Getreide, Bohnen, Linsen. Fässer mit Kraut, Wein und Bier wurden über den Hof gerollt, vorbei an verbrannten Balken, und auf Fuhrwerke geladen. Einer hatte die Hände voller Würste, ein anderer brachte geräucherte Speckseiten heran.
Die Nonnen sahen dem Treiben zu. Gunhilde seufzte. «Sie nehmen uns alles und wollen obendrein, dass wir ihnen dafür danken», sagte sie. «Es ist nicht nur der Abt, alle sind sie es. Wüsste ich es nicht besser, ich würde meinen, sie selbst hätten das Feuer gelegt.»
«Auch Mönche sind Menschen», erwiderte Rosamund.«Ich habe es nicht glauben wollen; jetzt sehe ich es mit eigenen Augen.»
«Ja.» Gunhilde seufzte. «Der Abt sagte, wir sollten den Fuhrwerken hinterherlaufen, wenn alles verladen ist. Auf nackten Füßen. Wer weiß, welche von uns überhaupt ihr neues Zuhause erreicht. Ist es nicht absonderlich, Rosamund, dass die Krautfässer gefahren werden,
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