Das Mädchen mit den Teufelsaugen
gar andere Regeln galten. Also stand er nur da, sah auf dasschlichte Holzkreuz und überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Schließlich, es waren einige Augenblicke vergangen, wandte er sich zu dem Patrizier um. Der saß da, die Hände im Schoß gefaltet und erwiderte Matteos Blick.
«Kann ich Euch helfen?», fragte er.
Matteo trat näher, versuchte, einen Blick auf die Hand des Mannes zu werfen, ob da womöglich ein Ring mit einer eingravierten Sieben blinkte, doch der Mann hielt die Hände so, dass von einem Ring nichts zu sehen war.
«Vielleicht könnt Ihr mir helfen», begann er zögernd. «Ich bin gekommen, um den Namenstag des Johannes gebührend zu feiern. Doch jetzt finde ich die Kirche leer.»
Der feine Patrizier betrachtete ihn aufmerksam. «Wie hattet Ihr Euch eine solche Feier denn vorgestellt?», fragte er.
Matteo zuckte mit den Achseln. «Ich weiß es nicht; ich habe keine genaue Vorstellung. Es ist nur so, dass Johannes mir sehr viel bedeutet.»
Jetzt stand der Patrizier auf. «Habt Ihr einen Bruder mit diesem Namen? Nannte sich Euer Vater so? Oder was habt Ihr sonst mit einem Johannes zu schaffen?»
Matteo lachte verlegen. «Ihr stellt mir da sehr persönliche Fragen, aber ich habe keinen Grund, mit der Antwort hinter dem Berg zu halten. Nein, ich habe niemanden in der Verwandtschaft, der diesen Namen trägt. Es ist eher so, dass ich mich geistig hingezogen fühle zu jemandem, der sich so nannte. Er ist tot, versteht Ihr, trotzdem möchte ich seinen Namen ehren.»
«Wie heißt er noch, Euer geistiger Vater?»
«Hieß. Er ist leider schon am 13. Dezember 1516 gestorben.»
«Sprecht weiter», forderte der Patrizier Matteo auf.
«Nun, ich weiß nicht, ob Ihr ihn kennt. Es handelt sich um Johannes Trithemius. Einst war er Abt der Benediktiner in Würzburg.»
«Aha. Interessant. Erzählt mir mehr von diesem Benediktiner», forderte der Patrizier.
Matteo schüttelte bedauernd den Kopf. «Viel mehr weiß ich nicht. Es ist nur so, dass ich mich für seine Schriften interessiere. Ich hatte gehofft, hier in der Johanneskirche womöglich auf Gleichgesinnte zu treffen.»
«Wie kommt Ihr zu dieser Annahme?»
«Nun, heute ist der Johannestag. Wir befinden uns in der Johanneskirche. Was liegt näher, als hier zu suchen?»
Der junge Mann lächelte, streckte Matteo plötzlich seine Hand hin. «Dann heiße ich Euch willkommen», sprach er. «Ihr habt recht. Hier in dieser Kirche trifft sich die Bruderschaft des Johannes Trithemius. Wenn Ihr mir nun noch Euren Namen nennt und vielleicht sogar noch das Erkennungszeichen, dann werde ich Euch sogleich zu den Brüdern führen.»
«Man nennt mich Matteo Catalani. Ein Maler und Weißbinder bin ich und stamme aus Italien. Und das Erkennungszeichen? Nun, ich glaube, das könnte die Ziffer Sieben sein. Sie steht für Trithemius’ Werk ‹De septum secundeis›.»
Der Patrizier nickte. «Kommt mit», bat er und ging voran, vorbei am Altar und in die Sakristei. Dort gab es eine zweite Tür, die hinunter in einen Keller führte.
Jetzt hörte Matteo Stimmengewirr. Ein einzelner Bass stach heraus. Sie durchschritten einen Gang, der nur von einer einzigen Fackel erleuchtet war, die leise flackerte und gespenstische Schatten an die Wand malte.
Vor einer verschlossenen Tür hielt der Patrizier an. Er wandte sich an Matteo und legte einen Finger auf die Lippen. «Die Sitzung ist gleich vorbei. Wir treffen uns immer zur siebten Abendstunde. Heute seid Ihr zu spät gekommen. Aber ich bin sicher, der Großmeister der Frankfurter Bruderschaft hat noch etwas Zeit für Euch.»
Von drinnen hörte Matteo jetzt Stühle scharren und Schritte. Eine Tür klappte, und nach und nach verklangen die Schritte. Als alles wieder ruhig war, klopfte der Patrizier sieben Mal hintereinander an die Tür, wartete ein Weilchen und wiederholte das Klopfen.
«Ja?» Die tiefe Bassstimme erklang.
Der Patrizier öffnete die Tür und winkte Matteo mit einer Handbewegung in den Raum.
«Großmeister, hier ist einer, der sich uns anschließen möchte.»
«Danke, mein Sohn», erwiderte der Mann, der im Dunklen stand, sodass Matteo ihn nicht erkennen konnte. «Du kannst jetzt gehen und die Kirche verschließen.»
Der Patrizier verbeugte sich leicht und ging auf demselben Weg, den Matteo und er gekommen waren.
«Nun, was führt Euch zu uns?»
Matteo erklärte in kurzen Worten, wer er war und dass er gekommen sei, um die Bruderschaft näher kennenzulernen.
«Ich habe von Euch gehört»,
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