Das Mädchen mit den Teufelsaugen
stehen, dann kommen die Tiere. Sie holen nachts das Fett von den Lichtern und zerwühlen dabei die Gräber. Vorsorgen muss ich heute schon.»
Rosamund blieb mit einem Ruck stehen. «Johannes», murmelte sie vor sich hin. «Johannes Trithemius.»
«Welches Datum haben wir übermorgen?», fragte sie den Mann.
«Den 24. Juni. Wie jedes Jahr.» Er lachte und schwang die Schaufel.
Rosamund ging ein paar Schritte auf ihn zu. «Sagt, guter Mann, trifft sich hier auch die Geheime Bruderschaft des Trithemius?»
«Wer?»
«Trithemius. Johannes Trithemius.»
Der Mann schüttelte den Kopf. «Der liegt hier nicht begraben. Ich kenne alle meine Toten. Ein Trithemius ist nicht dabei. Andere Johannese kann ich Euch zuhauf zeigen.»
«Ich danke Euch», rief Rosamund aus. «Ich danke Euch von Herzen.»
«Gern geschehen» murmelte der Totengräber und kratzte sich verdutzt am Kinn.
Rosamund rannte die Strecke bis nach Hause beinahe. Einmal stolperte sie und wäre um ein Haar gestürzt, konnte sich aber noch rechtzeitig an einem Mauervorsprung halten.
Sie riss die Tür zur Werkstatt auf. «Ich weiß es, Matteo», rief sie. «Ich weiß es.»
Ihr Mann stand gebeugt über dem Zeichentisch, fuhr beim Anblick seiner Frau hoch und ließ den Kohlestift fallen.
«Was, um aller Welt, weißt du?»
Auch Dietrich, der in einem Farbkessel rührte, ließ den Holzlöffel sinken.
Rosamund winkte ihm kurz zu, zog Matteo aus der Werkstatt ins Freie. «Der 24. Juni. Ich weiß, was dieser Tag bedeutet. Es ist der Namenstag von Johannes dem Täufer. Der Totengräber hat es mir erzählt. Und Johannes, so hieß auch Trithemius.»
Matteo nickte. «Dann müssen wir jetzt nur noch herausfinden, wo sich die Bruderschaft an diesem Tag trifft.»
«Nun, auf dem Friedhof nicht. Aber vielleicht in der Johanneskirche in Bornheim?»
«Johanneskirche», murmelte Matteo nachdenklich, dann lächelte er und küsste seine Frau auf den Scheitel. «Natürlich! In der Bornheimer Johanneskirche. Wo denn auch sonst?»
Achtundzwanzigstes Kapitel
Matteo schaffte es gerade noch rechtzeitig bis zur Bornheimer Pforte, dann schloss der Büttel hinter ihm das kleine Stadttor.
Die Sonne war schon untergegangen; Dämmerung lag über der Bornheimer Heide, verwischte die Konturen.
Matteo eilte mit langen Schritten den Sandweg entlang. Die Schwüle des heißen Tages lag noch über der Heide, verband sich mit dem Geruch fetter Erde zu einem dichten würzigen Duftteppich, doch Matteo hatte dafür keinen Sinn.
Er überlegte stattdessen, wie er sich der Bruderschaft nähern sollte. Ob er einfach die Kirche betreten konnte, einen freundlichen Gruß auf den Lippen? Er wusste es nicht, hatte jedoch schon das Ende des Sandweges erreicht und sah die ersten Häuschen des Dorfes vor sich auftauchen.
Die Johanneskirche lag still im Abendlicht. Der Kupferhahn auf dem Dach drehte sich träge und leise knarrend im Wind. Irgendwo bellte ein Hund, ein Junge trieb eine Ziege vorüber.
«He, du», rief Matteo. «Weißt du, ob heute Abend etwas los ist in der Kirche? Immerhin feiert Johannes seinen Namenstag.»
«Die Messe ist schon vorüber», erklärte der Junge. «Ich weiß das, weil ich die Glocken geläutet habe.»
Matteo wies mit dem Finger auf das Gebäude. «Dann bin ich wohl zu spät. Oder ist noch irgendwer in der Kirche?»
«Der Pfarrer wird noch da sein. Er ist fast immer da. Selbst nachts sieht man manchmal Fackelschein durch die Fenster leuchten. Geht einfach hinein, Herr. Dann werdet Ihr schon sehen.»
Der Junge nickte und trieb seine Ziege weiter.
Matteo klinkte die große Kirchentür auf, war nicht überrascht, als sie sich öffnen ließ. Im Vorraum blieb er stehen, schnupperte in der Luft. Da war kein Hauch von Weihrauch zu spüren, denn die Kirche war in den Händen der Lutherischen. Auch kein Geräusch, kein Licht. Nichts.
Und obwohl alles still war, schien es Matteo, als wäre er nicht allein hier. Langsam betrat er das Schiff, ging gemessenen Schrittes bis zum Altar.
In der vordersten Bank hockte einer, der auf den ersten Blick nicht in das Dörfchen Bornheim passen wollte. Er trug Patrizierkleidung, einen Samtwams mit bestickter Borte, feine Beinkleider, weiche Stiefel. Er saß, als wäre er ins Gebet versunken, doch Matteo wusste, dass er ihn aus den Augenwinkeln heraus beobachtete.
Matteo war noch nie in einer lutherischen Kirche gewesen. Er stand vor dem Altar, wusste nicht, ob er niederknien musste, sich bekreuzigen durfte, oder ob hier ganz und
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