Das Mädchen mit den Teufelsaugen
schüttelte den Kopf. «Ich kann nicht hexen, das weißt du. Es wird wohl so sein, dass der Ratsherr Dittmann einfach den besten Maler der Stadt für seine Frau haben will. Und das ist dein Michael nun einmal nicht.»
Mit diesen Worten wandte sich Rosamund zum Gehen, da traf sie etwas Weiches im Rücken. Es war die Decke aus Kaninchenfell. «Nimm das verseuchte Zeug wieder mit. Ich lasse nicht zu, dass meine Tochter verhext wird. Nicht einmal den Hofhund ließe ich darauf schlafen.»
«Auch gut», entgegnete Rosamund. «Dann werde ich die Decke für mein Kind aufbewahren.»
«Du? Ein Kind? Dass ich nicht lache! Die ganze Stadt weiß, dass du einen trockenen Schoß hast.»
Rosamund erwiderte nichts, nahm die Decke unter den Arm und eilte nach Hause. Sie nahm sich kaum Zeit, um im Haus nach dem Rechten zu sehen, sondern lief sogleich in die Werkstatt.
«Die Ursula», sprudelte sie los. «Die Ursula hat erzählt, der Dittmann habe ein Porträt seiner Frau bei dir in Auftrag gegeben.»
Matteo nickte. «Das stimmt. Er ist gerade wieder aus dem Haus. Schon morgen soll ich mit den Skizzen anfangen. Ins Dittmann’sche Haus soll ich dafür kommen. Aber woher weiß die Ursula das?»
«Michael hatte sich darum beworben, aber Dittmann hat sich für dich entschieden. Die Magd hat’s erlauscht und es sogleich der Ursula berichtet.»
Matteo tat gleichgültig, aber am Funkeln seiner Augen erkannte Rosamund, dass etwas in ihm arbeitete. Schließlich wandte er sich an den Gesellen Dietrich. «Wir werden unser Bestes geben, nicht wahr?»
Dietrich nickte. «Das haben wir versprochen bei unserer Malerehre.»
«Und dass der Michael auf uns nicht gut zu sprechen ist, sind wir ja gewöhnt», fügte Matteo hinzu.
Rosamund war nicht beruhigt durch seine Worte, aber sie freute sich über den Auftrag. Das Porträt einer Ratsherrenfrau! Wenn es gut gelänge, würden die anderen Ratsherrn nicht nachstehen und auch von ihren Frauen Porträts haben wollen.
«Wie wirst du vorgehen? Hast du schon eine Idee? Wie sieht sie aus, die Dittmännin?»
Matteo lachte, strahlte über das ganze Gesicht. «Du bist zu schnell, Rosamund. Lass mich nachdenken über meine Arbeit. Wie sie aussieht, die Dittmännin? Ich weiß es nicht. Morgen sehe ich sie.»
«Das Porträt muss gut werden. Nein, es muss das Beste werden, dass du je gemalt hast. Und vor allem, es muss sich unterscheiden von allen anderen. Liebt er sein Weib?»
Matteo zuckte mit den Achseln. «Sieht ganz so aus. Warum sonst will er ein Bildnis von ihr haben?»
Am nächsten Abend kam Matteo sehr beschwingt aus dem Dittmann’schen Haus zurück. In einer Mappe hielt er mehrere Zeichnungen, in einem Kästchen Kohlestift und Rötel.
«Nun?», fragte Rosamund, die ihrerseits den ganzen Tag bei der Suche nach Bommel über das Porträt nachgedacht hatte. «Nun, liebt er sie?»
«Ist das denn so wichtig?»
«O ja. Wer liebt, sieht am anderen nur das Schöne und Gute. Liebt er sie, muss sie so aussehen, wie er sie sieht. Ganz gleich, ob sie eine Hakennase hat oder sogar schielt.»
Matteo legte die Mappe auf den Tisch. «Sie schielt nicht, ich kann dich beruhigen. Hier, sieh dir an, was ich gezeichnet habe.»
Rosamund blätterte. «Sie ist schön», sagte sie leise. «Sie ist wahrhaftig wunderschön.»
Die Dittmännin, die mit Vornamen Maria hieß, war groß und schlank mit einem üppigen Busen. Ihr Haar hatte einen hohen Ansatz, was als vornehm galt, und fiel rotgolden über ihren Rücken. Der Mund war voll, die Nase zierlich, die Augen groß und rund. Alles an ihr war üppig. Sie sah aus wie die Göttin der Ernte nach einem prachtvollen Jahr. Überfluss war das Wort, das Rosamund dachte. Sie ist ein Weib im Überfluss. Eine, die verschenken würde, was sie zu viel hat.
«Wie ist sie?», fragte Rosamund und presste die Lippen ein wenig aufeinander. Ein Hauch von Eifersucht rumorte in ihr, doch sie war entschlossen, diesen Hauch nicht zum Wind werden zu lassen.
«Fröhlich ist sie. Heiter», erklärte Matteo. «Sie lacht gern, und Missgeschicke tut sie mit einer Handbewegung ab. Sie ist warm, und ihr Busen ist wie ein Wolkenkissen,an dem man ausruhen kann. Auch in ihrem Gesicht findet der Geplagte Ruhe. Da ist nichts Verkniffenes, alles ist offen und gut, wie es ist.»
«Du schwärmst ja regelrecht.» Rosamund gelang es nicht, die Eifersucht im Zaum zu halten.
«Was ist daran falsch?», fragte Matteo, sah dann aber den finsteren Blick seiner Frau. Er trat auf sie zu, strich mit der
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