Das Maedchen und der Luegner
und denkt gar nicht mehr an dich.«
»Willst du mich eifersüchtig machen?« Severin schmunzelte. »Das wird dir nicht gelingen, meine liebe Lavinia. Ich mag Gloria zwar sehr gern, und da sich diese hübsche junge Dame unbedingt in den Kopf gesetzt ha t, meine Frau zu werden, bin auch ich nicht abgeneigt, obwohl sie ganz bestimmt nicht meine große Liebe ist. Sie ist charmant, hat eine gute Erziehung genossen, und außerdem ist sie im ganzen Umkreis die einzige heiratsfähige junge Dame, die ich kenne.«
»Ist das alles , Junge?« fragte Lavinia verblüfft. »Das ist doch kein Grund zum Heiraten. Außerdem weißt du ganz genau, dass mir Gloria nicht unbedingt ans Herz gewachsen ist. Die gute Erziehung in allen Ehren - schließlich haben ihre Eltern auch eine Menge Geld investiert. Da konnte ja nur etwas aus ihr werden. Ich habe nur nie verstanden, dass Gloria ausgerechnet Kunst studiert hat. Was, bitte schön, will sie mit dieser Ausbildung hier in Olsberg anfangen?«
»Sie wird es nicht nötig haben zu arbeiten, wenn sie erst einmal meine Frau ist«, wandte Severin ein. »Gloria liebt nun einmal Kunst, und da ihr Vater mit seinen Immobilien ordentlich verdient, kann sie es sich leisten, weiter diesem Hobby zu frönen.«
»Dennoch finde ich es nicht gut.« Lavinia schüttelte den Kopf. »Jedes anständige junge Mädchen sollte einen ordentlichen Beruf ausüben, selbst wenn die Eltern im Geld schwimmen. Von den Immobilien allein hat der alte Borgsen nämlich nicht seinen Reichtum gewonnen.« Lavinia bemühte sich erst gar nicht, ihr leise Verachtung für sich zu behalten.
»Du weißt, mein Junge, dass diese Leute früher nicht gerade auf Rosen gebettet waren. Erst als Gerald von Borgsens Schwiegervater für immer die Augen zumachte und seine umfangreichen Ländereien seiner einzigen Tochter und deren Mann vererbte, ging es mit den von Borgsens aufwärts. Gloria ist eine verwöhnte Pflanze, und ich bin überhaupt nicht glücklich damit, dass du gerade sie heiraten willst.«
»Haben wir dieses Thema nicht schon oft genug erörtert, Großmütterchen? Ich weiß, ich weiß.« Severin blickte an der alten Dame vorbei. »Du magst diese Anrede nicht, doch du weißt genau, dass ich es nicht leiden kann, wenn du meine Entscheidungen in Frage stellst. Ich habe mich für Gloria entschieden und damit basta.« Auf seiner Stirn erschien eine Unmutsfalte.
»Vielleicht war es ein Fehler, vielleicht auch nicht«, fuhr er fort. »Die Zukunft wird es zeigen. Also lass es uns abwarten. Und nun, Lavinia, werde ich dich allein lassen. Teddy wollte, dass ich auf dem Rennplatz dabei bin. Immerhin habe ich meine ganze Hoffnung auf Alpha gesetzt. Dieses Mal müssen wir das Rennen einfach gewinnen. Das verstehst du doch, nicht wahr? Ich habe in den Hengst so viel Geld investiert, dass ihm gar nichts anderes übrigbleibt als zu siegen.«
»Du bist ein Fanatiker, Junge, aber du gefällst mir. Mir scheint, dass ich bei deiner Erziehung nur wenig Fehler gemacht habe. Einer davon war allerdings, dass ich dein Selbstbewusstsein ein wenig zu stark gefördert habe.«
»Es ist schon in Ordnung, was du getan has t, Lavinia.« Severin schob seinen Teller zurück und erhob sich. »Ich muss los. Viel Spaß mit deiner neuen Gesellschafterin. Ich hoffe, du wirst mir heute Abend ganz genau berichten, wie ihr den Tag verbracht habt.«
»Darauf kannst du dich verlassen, Junge. Und überlege dir deine Entscheidung noch einmal«, gab die alte Frau zu bedenken. »Vielleicht solltest du dich doch zu erkennen geben, solange noch Zeit dazu ist. Wenn Tanja erst einmal glaubt, dass es sich bei dir wirklich um den Gärtner handelt, dann musst du irgendwann einmal eingestehen, dass du sie angelogen hast. Und je länger du diese Lüge aufrecht erhältst, desto schwerer wird es dann sein.«
»Ich werde darüber nachdenken, Lavinia«, versprach Severin, küsste die alte Dame noch einmal zärtlich auf die Wange und verließ dann mit langen Schritten das Speisezimmer.
Er war so in Gedanken versunken, dass er nicht einmal merkte, wie eine schlanke Gestalt eilig davonhuschte, als er sich ihr näherte. Severin konnte ja nicht ahnen, dass Tanja schon eine Weile in der Diele auf ihn gewartet hatte.
Sie wollte ihn noch einmal bei Tageslicht sehen und hatte gehofft, ihn vom Fenster aus wieder bei den Rosen entdecken zu können. Doch ihre Hof fnung hatte sich nicht erfüllt. Dafür war dieser Mann plötzlich aus einer Richtung auf sie zugekommen, aus der sie ihn niemals
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