Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
Vom Netzwerk:
Und das sogar der Reihenfolge nach! Die Wucht des Gedankens, dass sogar Bischof Arnold in diesen schauderhaften Reigen gehören konnte, erschien wahnwitzig.
    Bislang hatte es keinen Anlass gegeben zu glauben, dass die Todesfälle mehr waren als nur bloße Zufälle. Doch die Parallele der Leichen zu den Sterbenden seines Bildes war zumindest beunruhigend. Oder bildete er sich das alles nur ein? Hatte ihm der Teufel den Pinsel geführt? Wie hatte der Spielmann diesen Satan genannt? Es hatte wie »Welesch« geklungen. Vielleicht konnte ja der Priester etwas mit diesem Namen anfangen. Er musste dringend Marikes Beichtvater berichten, was er herausgefunden hatte. Er stürmte aus der Nordervorhalle heraus und prallte hart mit Küster Krontorp zusammen. Der vertrieb mit seiner Bierfahne selbst den Geruch von Farbe und Weihrauch. Notke versuchte erst rechts, dann links an ihm vorbeizukommen, doch der dicke Mann tat es ihm gleich, sodass sie einander im Weg standen.
    »Mann, geht aus dem Weg!«, knurrte der Maler ungeduldig.
    »Ja wo wollt’er denn hin’err?«, lallte der Küster laut.
    »Zum Beichtvater von Marike Pertzeval«, erwiderte Notke mit erhobener Stimme, denn er wusste, dass der Küster schwer hörte.
    »Ja, aber der is’ doch auf’m Weg zu Euch, Herr!«, stellte der Betrunkene erstaunt fest. »Pater Martin hat Eure Nachricht schon gekricht! War ja auch dringend!«
    Bernt Notke hielt inne. »Pater Martin ist der Beichtvater von Marike Pertzeval?«
    »Was?«, fragte der Küster und hielt eine Hand hinter das Ohr. »Pater Martin ist der Beichtvater von Marike Pertzeval?«, rief Notke lauter, um zu dem Mann durchzudringen.
    »Aber ja’err!«, hickste der Küster. »Seit s’e’ne kleene Deern is’!«
    Notkes Gedanken überschlugen sich. Sein Ärger auf die Pfaffen musste ihn blind gemacht haben. »Und der hat von mir eine Nachricht erhalten?«
    »Und wie’err!«, grinste der dicke Mann. »Hab sie selbst weitergegeben.«
    »Und nun ist er los, um mich zu treffen.«
    »Genau so’err!«, triumphierte der Trunkenbold.
    »Wo?«, frage Notke atemlos.
    »Wie wo?« Der Küster runzelte die Stirn.
    »Wo soll er mich treffen, Mann!«, rief Notke ungeduldig.
    »Ihr fragt mich , wo der Kaplan Euch treffen soll, Herr? Wer is’n hier angesäuselt – Ihr o’er ich?«
    »Keine Angst, Ihr seid für uns beide betrunken genug«, knurrte Notke frustriert. Dann fragte er beschwörend: »Krontorp, wo will der Pater mich treffen?«
    »Na – im Hof der kleenen Marienkapell’ hinter Sankt Katharinen, Herr. Müsst er doch wissen! Der Kaplan is’ schon wech.«
    Notke wurde kalt. »Der Kaplan ist schon weg.« Die letzten Worte des Küsters riefen eine schreckliche Ahnung in ihm wach. Er schnappte sich den betrunkenen Mann und schleifte ihn zurück in die Nordervorhalle. Notkes Augen wanderten beinahe widerwillig zu seinem Bild. Er ging die Reihe der Ständefiguren durch und verglich sie mit der Reihe der Sterbenden. Der letzte Tote, von dem er wusste, war der Bankier Pömer, der angeblich an seinem eigenen Gold verreckt war. Dieser Mann musste der Wucherer des Totentanzes sein.
    »Heda, lass mich!«, wehrte sich der Küster, doch Notke hielt ihn am Kragen fest. Der Maler wusste, welche Gestalt nach dem Wucherer folgte – immerhin hatte er diesen Totentanz entworfen. Er musste sich trotzdem noch einmal selbst davon überzeugen, dass er nicht irrte. Er zwang sich, die nächste Figur in dem Totenreigen zu betrachten. Nach dem Wucherer tanzte in seinen schwarzen Talar gehüllt der Kaplan. Ein Tod griff ihm in den Stoff und zog, der andere hatte mit breitem Grinsen das Handgelenk des Priesters umschlossen. Mit der freien Hand machte der arme Sterbende eine abwehrende Geste. Ja, der Maler wusste, wer als Nächstes sterben sollte.
    Eine Mischung aus Hilflosigkeit und Wut ließ Notke die Galle im Halse aufsteigen. Er hatte nicht übel Lust, sein eigenes Gemälde zu zerschmettern. Doch was war hier die Henne, was das Ei? Malte er die Menschen, weil sie starben, oder starben sie, weil Oldesloe und seine Spießgesellen die Entwürfe für sein Bild kannten? Oder ließ dieser slawische Teufel etwa sein Bild Wirklichkeit werden? Was hatte er mit diesem grausigen Gemälde nur angerichtet?
    »Wenn’er kotzen müsst, ich mach das immer hinten bei’er Treppe hoch zum Turm, da is’n Trog«, lallte der Küster.
    Notke schüttelte grimmig den Kopf. »Wer hat Euch meine Botschaft überbracht, Mann?«
    Der Küster sah ihn an, als hätte er den

Weitere Kostenlose Bücher