Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
Vom Netzwerk:
Martin unmöglich ohne Abschied und ohne ein Gebet gehen lassen können.
    Gerade wollte Marike unter dem Düsteren Schwibbogen der Arkaden des Danzelhuses hindurchgehen, da hielt sie inne. Hastige Bewegungen schreckten sie auf. Zwischen einer Säule und ein paar losen Brettern, die zum Aufbocken von Ware genutzt worden waren, sprangen zwei dürre Kinder weg und wedelten jeder triumphierend mit einem Lederschuh. Auf dem Boden lag eine stöhnende Gestalt, eine Frau mit langem einfachem Gewand, das den ganzen Körper bedeckte. Marike hatte keine Zweifel, woran sie litt, denn das Fieber zeichnete ihr Gesicht, und die Augen lagen dunkel in ihren Höhlen. Marike schluckte. Noch vor wenigen Tagen war sie hier zum Einkaufen entlanggeschlendert. Nun starben die Lübecker auf offener Straße.
    »Geht nicht näher, Herrin!«, schnappte Alheyd und hielt Marike am Arm zurück.
    »Keine Angst, Alheyd. Heda!« Die Kaufmannstochter rief den Kindern nach, doch die liefen nur noch schneller. Wussten sie nicht, dass sie mit diesen Schuhen den Tod zu ihren Familien trugen? Nicht ohne Grund sollte das Hab und Gut der Pesttoten stets verbrannt werden! Es war umsonst. Die Kaufmannstochter wandte sich zurück zu der Leidenden und ging einen Schritt näher heran. »Nur die Ruhe! Ich hole Hilfe. Man wird Euch schon versorgen.« Ein Stöhnen war die einzige Antwort. Mit einem letzten mitleidigen Blick machte sie sich auf. In der Fronerei konnte sie die Frau melden, damit man sie zum Sterben in das Hospital Sankt Gertrud brächte. Sie schritt aus, doch Alheyd hielt sie zurück.
    »Herrin! Wo wollt Ihr denn bloß hin, um Gottes willen?«
    »Zum Schrangen, Alheyd. Die Frau muss versorgt werden.«
    »Aber der Herr hat’s verboten! Wir sollen gleich nach Haus!«
    »Wir können die Frau da nicht liegen lassen!«, protestierte Marike. »Würdest du so leiden wollen?«
    »Aber wenn wir uns dabei anstecken …«, wimmerte die Magd.
    »Mache dir mal keine Sorgen, Alheyd.«
    Der Schrangen stank nach vergammelnden Fleischresten. Auch die Reihe der Fleischhauer, die hier üblicherweise ihre Schweineviertel zerstückelten, hatte sich gelichtet.
    In der Gasse, die sich an den Platz anschloss, fand sich das Haus des Frons. Gerade reckte Marike die Hand zu dem schweren Bronzeschlägel an der Tür der Fronerei in der schmalen Büttelgasse, da öffnete sich die Tür und jemand schoss heraus, stolperte die zwei Stufen hinunter und rannte in sie hinein.
    »Oh, Vergebung, Herrin!«, stieß ein schlaksiger junger Mann aus. Marike kannte ihn, doch sie erinnerte sich nicht mehr genau, woher. Der stämmige Fron stand derweilen in der Tür und legte die kahle Stirn in Falten.
    »Belästigst du jetzt auch noch sittsame Jungfern, Mann?«, knurrte er den Langen an.
    »Aber Ihr habt mich doch geschubst, Herr«, verteidigte sich der junge Mann.
    »Es geht mir gut«, beruhigte Marike beide.
    »Jungfer Marike!«, Der schlaksige Kerl verneigte sich erfreut, wie es einem einfachen Mann geziemte. »Seid Ihr wegen Meister Notke hier?«
    »Meister Notke?«, erwiderte sie verwirrt. Jetzt erinnerte sich Marike – das war Sievert, Notkes junger Knecht.
    Der Handwerksgeselle stand vor ihr, den Saum seines Kittels in den Fingern knetend, und sah unglücklich zu Marike herunter. »Ich hab dem Herrn Fron gesagt, er soll meinen Herrn freilassen, er sei nicht schuld an dem Tod von Pater Martin. Aber der Herr Fron glaubt mir nich’, Herrin. Wollt Ihr nich’ ein gutes Wort einlegen für den Meister? Der Herr könnt so was doch niemals nich’ tun, Herrin.«
    »Notke! Schuld an Pater Martins Tod!«, stieß Marike ungläubig aus. »Wer sagt das?«
    »Na, der Herr Fron! Er hat ihn bei seiner Leiche geschnappt! Nun sitzt er im Kerker.«
    Die Gedanken der Kaufmannstochter überschlugen sich. Warum wusste sie davon nichts? Hatte der Vater dieses Detail in seinem Bericht von den Ereignissen vergessen oder absichtlich verschwiegen? Sie sah den Fron an. »Seit wann?«
    »Vorgestern«, erwiderte der Fron. »Auch wenn ich nicht weiß, was Euch das angeht, Jungfer Pertzeval.«
    Vorgestern. Der Tag nach Lynows Pestausbruch in der Marienkirche. Der Tag, an dem Martin gestorben war. Man hatte Notke über seiner Leiche gefasst. Konnte er …? »So ein Unsinn«, stieß sie aus. »Maler Notke hat Pater Martin nicht erschlagen.«
    »Woher wisst Ihr das?«
    »Warum hätte er es tun sollen?«, konterte Marike.
    »Was geht mich das an?«, grunzte der kräftige Fron. »Notke hasst die Pfaffen. Männer streiten

Weitere Kostenlose Bücher