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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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ihm auch egal, wer für die Tat am obersten Galgen landete, solange dort nur jemand baumelte.
    »Keins von beidem, Brigen«, sprach sie leise. »Und wenn Ihr an der Gerechtigkeit interessiert wärt, dann würdet Ihr Euch fragen, warum Euch eine allzu bequeme Lösung in den Schoß gefallen ist.« Damit drängte sie sich an ihm vorbei, riss die Tür auf und trat hinaus. Der Gestank von Blut und alten Fleischresten vom Schrangen war ihr allemal lieber als die Gegenwart des Frons. Dann eilte sie nach Hause, während Alheyd sie vor sich hin murmelnd eine Närrin schalt. »So was macht Ihr mit mir nich’ noch mal, Herrin! Ihr bringt uns noch alle ums Leben!«
    Auf dem Weg nach Hause dankte Marike Gott. Endlich gab es konkrete Hinweise, denen sie nachgehen konnte. Mit ein wenig Glück hatten Oldesloe und seine Spießgesellen dieses Mal aus lauter Hast einen Fehler begangen. Doch zunächst trieb sie etwas an, was wichtiger war, als den Schuldigen hinterherzuschnüffeln. Erst würde sie dafür sorgen, dass ihrem Vater niemand zu nahe kam.

DER KAUFMANN
    Marike riss die Vordertüre auf. »Vater?«, rief sie und platzte in die Dornse hinein. Frederik sah mit ungehalten gerunzelter Stirn auf. »Wo ist mein Vater, Frederik?«
    »Es ist nicht üblich, dass jemand während der Arbeit so hier -«, begann der Geselle, doch Marike unterbrach ihn rücksichtlos. »Spar dir das Gerede, Frederik! Wo ist mein Vater!«
    »Ja, also«, er schürzte nachdenklich die Lippen. »Im Allgemeinen ist er …«
    Marike fehlte die Geduld, um dem umständlichen Mann zuzuhören. Ihre Nackenhaare stellten sich auf, denn wenn der Vater nicht hier war … Sie beendete den Gedanken nicht.
    »Vater?« Sie lief in die Diele, öffnete die Tür zur verwaisten Kemenate. »Vater!« Sie hastete die Treppen hinauf und lugte in seine Kammer, doch auch die war leer. Sie überprüfte kurz die Speicherebenen, ihre eigene Kammer, das Dach mit der Winde – doch nirgendwo war eine Spur von Johannes Pertzeval zu finden. Was sollte der vom Alter ungelenke Mann auch hier oben? Sie vergeudete nur Zeit. Wo konnte er sein? Sie wusste von keiner Verabredung, und eigentlich hatte sich der Vater genauso aus der Gesellschaft zurückgezogen wie jeder hier im Haus. Was hätte ihn unter diesen Umständen hinausgetrieben? Marike kämpfte gegen die Tränen an und lief die Treppe wieder hinunter.
    Alheyd stand in der Diele. »Herrin, der Frederik sagt, der Herr sei nur kurz aus der Dornse gegangen, um sich die Beine zu vertreten oder so, mehr weiß er nicht.«
    Schnell riss Marike die Tür zum Hof auf und lief hinaus. Niemand war zu sehen. »Vater?«, versuchte sie zu rufen, doch ihre Stimme brachte nur noch ein ersticktes Krächzen zustande. Denk nach!, befahl sie sich. Wie würde Oldesloe wohl vorgehen? Würde er den alten Mann entführen lassen, um ihm an einem ruhigeren Ort etwas anzutun? Was sollte sie nur tun? Sie würde doch den Vater nicht auch noch verlieren!
    »Willem?« Sie lief zum Eingang des Wohnkellers, der unter der Kemenate neben dem Abort lag. Die paar Stufen waren schnell überwunden, und sie stand in dem unverputzten Raum, der mit Stroh ausgelegt war. Wie üblich stank es hier säuerlich. In der hinteren rechten Ecke lagen Decken und eine Kiste mit Essensabfällen, in der linken schwelte ein kleines Feuer unter einem dreifüßigen Grapen aus Steingut, in dem eine Suppe garte. Willem hockte davor auf einem kleinen Holzblock und rührte in dem Topf. »Jung’ Deern! Was hat -«
    »Ist im Hof etwas passiert? Hast du meinen Vater gesehen?«
    »Nö, des hab ik nich’, jung’ -«
    Marike rannte schon wieder hinaus. Schließlich stand sie im Innenhof und wusste nicht, wohin. Wo konnte sie noch suchen, wen fragen? Was würde sie nur ohne den Vater tun, wie ihr Leben leben? Dann drang ein Husten an ihr Ohr.
    »Mein Stern, alles in Ordnung? Geht es dir nicht gut?« Marike sah auf. Verschwommen sah sie eine Gestalt in der Tür zum Abort stehen. Sie starrte auf ihren Vater, der sich gerade hastig die Beinlinge zuschnürte und herüberkam. Marike stürzte ihm in die Arme.
    »Vater!« Sie drückte ihn und ließ erst locker, als er nach Luft japste. »Ihr dürft das Haus nicht mehr verlassen. Hört Ihr? Die Pest – das ist so schlimm. Ihr müsst mir versprechen, dass Ihr nicht hinausgeht, ja?«, flehte sie wimmernd.
    »Ich verspreche es«, murmelte der Vater und drückte sie sanft. Dann führte er Marike ins Haus und schloss die Tür hinter sich. Die Tochter schmiegte sich in

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