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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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kein Zweifel daran bleiben, dass das Bild ein gottgefälliges Werk für die Bürgerschaft Lübecks war. Notke hatte den Bauern und den Klausner aus dem Gedächtnis hinzugefügt, hier und da Kleinigkeiten übermalt, um Licht und Schatten besser herauszuarbeiten. Die Todesfiguren waren nun geradezu diabolisch, fand Marike. Doch am wichtigsten war, dass er den Jüngling und die Jungfrau neu gemalt hatte. Auch wenn Sievert mehr als jeder andere verdient hätte, hier verewigt zu werden, hatte Bernt sich selbst im modisch knappen grünen Gewand und mit blauem Überwurf als Jüngling gemalt, von einer Todesfigur gezogen, von der anderen geschoben. Er sah über die Schulter zur Jungfrau zurück, die nun Marikes Antlitz zierte. Er hatte gesagt, so hätte er sie vor einem Jahr am Vorabend von Mariä Himmelfahrt gesehen, als sie sich in jener schlimmen Nacht zum ersten Mal geliebt hatten.
    Marike erinnerte sich wehmütig. Ihre Fingerspitzen glitten über die Farbe des prachtvollen roten Kleides ihrer Mutter, in dem Bernt sie abgebildet hatte. Sogar der Rosenkranz aus Bernstein war angedeutet.
    Voll Verwunderung studierte sie dieses neue Bild ihrer selbst, das Notke angefertigt hatte. Ihr rotblondes Haar umrahmte zusammengesteckt ihr weiches Gesicht und passte farblich zu den goldenen Brokatärmeln. Ihre Tanzpose war die anmutigste des ganzen Bilderzyklus. Sie tanzte wie damals auf dem Fest im Rovershagen – der Leib schwungvoll gebeugt, ein Arm erhoben, einer nach hinten gestreckt. Marike erkannte sich darauf kaum wieder, denn das Gesicht war viel ernster und weiser als das Porträt mit den Sternenaugen, das Bernt von ihr angefertigt hatte. Der Tod, der die beiden Liebenden auf dem Bild trennte, hielt den Jüngling beinahe gewaltsam von der Jungfrau fern und zog sie seinerseits spielerisch an ihrem langen Überärmel hinter sich her. Auch Notke hatte wohl gespürt, dass der Abschied nahte.
    Das letzte Jahr mit Notke war für Marike die schönste Zeit ihres Lebens gewesen, denn sie hatten wie Mann und Frau miteinander gelebt. Zugleich aber war es auch die schwerste Zeit ihres Lebens, denn für die Lübecker Bürgerschaft galt sie als öffentliche Frau, seit in der Marienkirche ihre Liebesnacht mit Notke offenbart worden war. Keine Bediensteten wollten bei ihr arbeiten – nur der treue Hinrich war geblieben. Die Frauen grüßten sie auf der Straße nicht mehr, und kein ehrbarer Handwerker verkaufte ihr etwas in der Öffentlichkeit. Mehr als einmal hatte sie mit Hinrichs Hilfe Männer abweisen müssen, die sie ihres Rufes wegen für eine Schlupfhure hielten. Man hatte ihr einen Dirnenschleier vor die Tür gelegt, doch Marike hatte ihn nie getragen. Merkwürdigerweise hatte sie nie jemand daran gemahnt. Und wenn die Frauen auf der Straße vor ihr flohen, dann wusste Marike, warum: Seit der Begegnung ihres Vaters mit dem Tod zu Mariä Himmelfahrt des Jahres 1465 hatten die Lübecker Angst vor ihr. Das Schlimmste aber war, dass sie nicht mehr zur Messe in der Marienkirche zugelassen wurde. Allein Notke ließ sie heimlich in die Kirche, wo sie am Altar der Maria ihre Gebete verrichtete.
    Und Marike hatte viel gebetet in diesem Jahr! Die Wochen nach Mariä Himmelfahrt waren hart gewesen. Man hatte Johannes Pertzeval nicht in den Kerker geworfen. Der totkranke Mann hatte eh nicht mehr lange zu leben, hatten sie gesagt, und dass bereits genug Menschen gestorben seien. Marike hatte mit ihrem Vater unter einem Dach gelebt, denn das sah sie als ihre Pflicht vor Gott an. Doch während all der Zeit hatte sie kein Wort mit ihm gewechselt. Schließlich hatte ihn die Auszehrung an seinem eigenen Blut ersticken lassen. Erst an seinem kalten Leichnam hatte Marike bittere Tränen geweint. Der Mann, den sie hasste, war tot. Doch sie freute sich darauf, ihrem geliebten Vater dereinst im Winterland wieder die Hand reichen zu können. Dort würde sie ihm dann vielleicht auch vergeben können.
    Notke war nach jenem schicksalsschweren Tag in der Marienkirche zum ersten Mal seit Jahren wieder bei der Beichte gewesen. Marike hatte den Eindruck, dass er durch Pater Martins Tod seinen Frieden mit der Kirche gemacht hatte. Doch sie selbst hatte diesen schweren Gang nicht übers Herz gebracht. Sie hatte beinahe die Hand gegen den eigenen Vater erhoben und war innerlich bereit gewesen, Pater Martins Tod an ihm zu sühnen. Wie sollte Gott ihr das vergeben? Doch Bernt hatte ihr schließlich ausgerechnet mit Pater Martins Worten aufgezeigt, dass das mit Gott

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