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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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mächtigsten Familien Lübecks bewegte sich derweilen Richtung Chorumgang.
    »Ihr wart gestern beim Meister Anselmus im Heiligen-Geist-Spital, Jungfer?«, fragte Brigen grob, sobald sie durch die provisorische Schranke in die dunkle Kapelle getreten waren.
    Marike nickte. »Mit Pater Martin. Warum, Herr Brigen?«
    »Warum wart Ihr dort?«, fragte der Mann misstrauisch, ihre Frage ignorierend.
    Während sie über eine schlichte Antwort nachdachte, versuchte Marike in dem Gesicht des Mannes zu lesen. In der Hoffnung, dass der Fron die Notlüge weniger leicht durchschauen würde als Anselmus, behauptete sie wieder, im Auftrag Lysekes nach der Todesursache geforscht zu haben.
    »Hm«, meinte der Fron finster und rieb sich das Kinn. »Da hättet Ihr auch zu mir kommen können!«
    »Das hatten wir noch vor, Herr Brigen«, log Marike.
    Der Mann schnaufte ungeduldig. »Egal. Man hat mir gesagt, dass Bruder Anselmus seit Eurem Besuch unruhig war. Könnt Ihr mir vielleicht sagen, warum?«
    Natürlich konnte Marike das, aber das würde sie dem Fron nicht auf die Nase binden. »Ich habe ihm von dem Eheversprechen zwischen den beiden erzählt und davon, wie sehr Lyseke unter dem Verlust leidet. Vielleicht wühlt ihn das so auf?«
    Wieder strich sich der Fron über das schlecht rasierte Kinn und musterte Marike prüfend. Wusste der Mann, dass sie log? »Tja, mir hat man gesagt, dass er eher nervös als bedrückt war. Direkt nach Eurem Besuch. Und zwar kurz bevor man ihn tot vor der Ratskapelle fand. Würdet Ihr Euch da nicht auch fragen, was zum Teufel passiert ist?«
    »Ja«, sagte Marike mechanisch. Ihr Verstand hatte ausgesetzt. Alles, was sie mit einem Mal hörte, war ihr eigener Atem, obwohl sie sah, dass sich die Lippen des Frons bewegten. Brigen und die Säule, vor der er stand, wankten hin und her, als befände sie sich nicht an Land, sondern auf den Planken eines Schiffes. Plötzlich wurde das Wanken heftiger, denn der Fron hatte sie bei den Oberarmen gepackt und schüttelte sie durch. Endlich hörte sie wieder, was er sagte: »… Euch wohl? Jungfer Pertzeval!«
    »Ja, mir ist wohl«, flüsterte sie, ohne nachzudenken. Sie spürte ihre Beine versagen. Brigen und Alheyd halfen ihr rückwärts in das flache Beichtgestühl an der Wand. Ihre Hand krampfte sich um Holz.
    »Tot?«, fragte sie dann. »Bruder Anselmus ist tot?«
    Brigen runzelte die Stirn. »Das wusstet Ihr noch nicht? Ganz Lübeck redet doch davon.«
    »Nein«, hauchte sie und griff nach Alheyds Hand, um sich festzuhalten. »Wie?«
    »Oh, wie ist eine gute Frage, Jungfer. Man fand ihn dort drüben vor der Ratskapelle«, er deutete auf die andere Seite der Kirche, »erschlagen von einem Sack Münzen aus dem Goldschatz der Stadt. Man hatte ihn zum Beschauen des Leichnams von Bürgermeister von Calven gerufen – er ist ja der städtische Pestilentiarius. Manche Leute sagen, er hätte versucht, in die Trese einzubrechen. Andere gar, Gott hätte ihn mit dem Ratsgold erschlagen, weil er etwas mit Calvens Tod zu tun gehabt hätte.«
    Marike zwang sich zu atmen. Wie entsetzlich! Bruder Anselmus war tot. Und sie hatte ihn bekniet, den Leichnam von Calvens auf Spuren eines Mordes hin zu untersuchen. Offenbar hatte er etwas gefunden. Warum sonst hätte man ihn aus dem Weg schaffen sollen?
    »Nein«, brachte sie dann heraus und versuchte, sich wieder zusammenzureißen. Alheyd strich ihr über den Rücken, um sie zu beruhigen, doch Marike fühlte sich elend.
    »Nein, was?«, fragte Brigen nun etwas mitfühlender und stellte sich so, dass man Marike vom Norderschiff aus nicht sehen konnte.
    »Beides nicht«, flüsterte sie. »Bruder Anselmus war ein guter Mann. Ein mutiger und guter Mann, der nur Gott dienen wollte.«
    Da zog Konrad Brigen eine Augenbraue hoch. »Jungfer Marike«, knurrte er leise. »Wenn Ihr etwas über Meister Anselmus’ Tod wisst, dann müsst Ihr es mir sagen!«
    Doch Marike lächelte bitter. »Fron Brigen, wenn ich etwas über den Tod von Anselmus wüsste«, sie schluckte die Tränen hinunter, »dann würde ich es Euch ganz gewiss sagen.« Sie hatte geahnt, dass man vorsichtig sein müsste. Doch dass ihre paar harmlosen Fragen schon solche Konsequenzen haben würden! Selbst aus dem Totentanz schien sie Bruder Anselmus’ Gesicht vorwurfsvoll anzustarren.
    Der Mann nickte, doch sie war sich nicht sicher, ob er ihr Glauben schenkte. Warum sollte er auch? Sie hatte es sich in den letzten Tagen ja auch angewöhnt, die Menschen um sie herum nach Strich und

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