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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Händedruck. Auch nicht mit 100.000 Francs Abfindung. Das hättest du wissen müssen, René. Du bist ja kein Fremder, du bist hier geboren, du kennst die Menschen von Martinique, du kennst die Frauen. Es gibt auf Martinique zwei Naturereignisse: Der Vulkan Pelée und die Mädchen! Das haben sie gemeinsam: Ihr Ausbruch reißt alles mit!« Coulbet trank sein Glas leer. »Ich gehe mal zu Josephine und mache ein Schwätzchen mit ihr.«
    »Sie ist sicher nicht in ihrem Haus. Petras Ankunft wollte sie bestimmt nicht miterleben.«
    »Und du hast keinerlei Angst, daß Josephine deiner Petra an die Gurgel geht?«
    »Nein. Angst habe ich erst jetzt, wo Petra vom Schiff den Fetisch mitgebracht hat. Das ist mir unbegreiflich. Bis vor einer Stunde kannte hier niemand Petra Herwarth. Stell dir den Wahnsinn vor: Sie fliegt von Frankfurt nach San Juan, steigt dort auf ein Schiff und findet in ihrem Bett diese Todespuppe! Das ist doch wirklich unbegreiflich.«
    »Hast du von ihr ein Bild herumstehen?«
    »Ja. Dort. Auf meinem Schreibtisch.« René zeigte auf den großen Tisch vor der Bücherwand.
    »Aha.«
    »Was heißt Aha?!«
    »Das kann Josephine auch gesehen haben.«
    »Natürlich.«
    »Für mich ist jetzt unbegreiflich, daß das Bild noch existiert. Ich hätte Josephine zugetraut, daß sie es in kleinste Stücke reißt.« Coulbet ging zu dem Schreibtisch, nahm Petras Foto in dem Silberrahmen in Augenhöhe und betrachtete es. »Wann stellst du mich der wunderschönen Dame vor?«
    »Nachher. Sie schwimmt gerade.«
    »Das ist die beste Gelegenheit, sie von allen guten Seiten zu betrachten.« Coulbet stellte das Foto zurück. »Wenn sie hier so frei bei dir herumsteht, ist sie keine absolut Unbekannte mehr.«
    »Dann müßte jemand in San Juan gewesen sein und ihr den Fetisch ins Bett gelegt haben, der sie kennt – wenn auch nur vom Foto!«
    »Das sag ich ja! Von daher rolle ich die Sache auf! Die Drohung kann nur von jemandem aus deinem engsten Umkreis kommen. Und es wird doch wohl festzustellen sein, wer längere Zeit verreist war.« Coulbet lächelte und steckte sich noch eine Zigarette an. »Die Hauptaufgabe der Kriminalpolizei ist das Sammeln von Mosaiksteinchen, ist mühselige Kleinarbeit. Aber wenn wir dann das Bild zusammensetzen, beginnt das große Staunen und Zähneklappern. – Ich seh' mich mal in deinem Sündenbabel um. Bis gleich, René. Bereite deine Petra darauf vor, daß sie in Kürze den schönsten Mann von Martinique kennenlernt. Ich möchte nicht, daß sie bei meinem Anblick Herzschmerzen bekommt.«
    Lachend verließ Kommissar Coulbet das Haus und ging hinüber zur Fabrik. Er kannte den ganzen Birot-Komplex wie sein eigenes Haus. Mit Renés Vater hatte er als junger Beamter auf der Veranda Schach gespielt und im Park Boule. Der alte Birot war eine Wucht gewesen, wie man so sagt. Bärenstark, mit buschigen Augenbrauen, kurzgeschnittenen Haaren, einem Schädel wie aus Granit, der Mustertyp des Kolonisators. Er war einer der ersten auf der Insel, der seine Arbeiter organisierte, einen Arbeiterrat einsetzte und so über alle Sorgen informiert war, die er sonst nie erfahren hätte. Die anderen französischen Patrons nannten ihn bald den Kommunisten, weil er nicht wie ein Herr auftrat, sondern am Abend manchmal bei seinen Arbeitern auf dem Platz unter dem riesigen Wollbaum saß, mit ihnen sang und soff und beim Karneval, der auf Martinique fast so gefeiert wurde wie in Rio de Janeiro, den ganzen Betrieb zu einem rauschenden Fest einlud. Birots Frau, Madame Claudine, Renés Mutter, war gestorben, als René erst neun Jahre alt war. Aus Kummer wäre sie gestorben, munkelte man unter den Weißen der Insel, weil der alte Eisenschädel Birot ein solch verteufelter Kommunist gewesen sei. Claudine, aus einem Adelshaus stammend, hatte es nie verwinden können, daß die anderen Weißen die Birots schnitten. Die stinken nach Neger, hieß es. Als der alte Birot das erfuhr, lud er das, was man in Martinique die zwanzig ersten Familien nannte, zu einer Feier in ein bekanntes Restaurant, ließ eine Negerpfeffersuppe, ein nach Negerart in einer Erdgrube auf heißen Steinen gebackenes Schwein und zum Nachtisch Mohrenköpfe servieren, und zwei seiner schwarzen Diener verspritzten über den Tisch ein Parfüm, das ungeheuerlich nach Moschus stank. »So und jetzt stinkt ihr, die Weißen!« brüllte Birot über die entsetzte Gesellschaft. »Leute, ich muß gleich kotzen!«
    Als Birot starb, hinterließ er neunzehn nicht angetraute Witwen!

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