Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
An noch keinem Sarg hatten so viele wehklagende Weiber gestanden wie an seinem Sarg. Aber alle hatten sich untereinander vertragen, es hatte nie Streit oder Skandale gegeben, und das Grab des alten Birot wurde immer mit frischen Blumen geschmückt.
    Von ihm hätte René lernen können, dachte Coulbet, als er zu Josephines Häuschen ging. Es war wie alle anderen Häuser aus Holz gebaut, rosa gestrichen, mit grün umrandeten Fenstern und einer blauen Tür. Je bunter, um so schöner … die Lebensfreude der Martiniquaner war überall zu spüren. Von seinem Vater hätte René lernen können, dachte er, andererseits hatte der Alte auch nie ein Mädchen wie Josephine gehabt, und die Zeiten hatten sich auch grundlegend geändert. Die Farbigen waren selbstbewußter geworden, stolzer und freier. Nicht weiß zu sein, war nicht mehr das Schicksal, bedeutete nicht mehr, sich minderwertig zu fühlen. Im Gegenteil! Man war gleichberechtigt unter der französischen Trikolore.
    Coulbet klopfte an Josephines Haustür. Er ahnte, daß er von vielen Augen aus dem Hinterhalt beobachtet wurde. Als er an die Türklinke faßte, schwang die Tür auf. Sie war nicht verschlossen. Coulbet zögerte, aber dann betrat er doch das Haus. Es war sauber, mit modernen, einfachen Möbeln ausgestattet. Blumenvasen mit Blütensträußen verrieten die Hand der Frau.
    Coulbet ging im Haus herum, die Hände auf dem Rücken, und bemerkte nichts Auffälliges. Nur in Josephines Schlafzimmer, das früher recht selten benutzt worden war, blieb er vor einem großen, eingerahmten Farbfoto stehen. Ein blickloser Kopf. Josephine hatte René die Augen ausgestochen.
    Coulbet trat näher, untersuchte die Zerstörung, ohne das Bild zu berühren, und verließ dann das Haus. Welch ein Haß und welche Verzweiflung, dachte er. Es mußte Josephine das Herz zerrissen haben, als sie René die Augen ausstach. Ihre Seele mußte weggebrannt sein.
    Er schlenderte hinüber zur Villa, ging über die rund um das Haus führende Veranda und kam in den hinteren Teil des Parks. Petra war aus dem Pool gekommen, saß, in einen bunten Frotteemantel eingehüllt, in einem Korbsessel und ließ sich von dem schwarzen Butler eine dicke Orange schälen. René war nicht zu sehen. Er mußte noch in der Bibliothek sein.
    »Bevor Sie bewundernd ›Oh!‹ rufen: Ich bin Robert Coulbet. Ein alter Freund des Hauses!« sagte er und lachte. Petra lächelte verhalten zurück.
    »Warum sollte ich ›Oh!‹ rufen?«
    »Aus Begeisterung vor so viel männlicher Schönheit!«
    »Ich werde René bitten, Ihnen einen Spiegel zu schenken«, sagte Petra lässig. »Sie haben sicherlich lange in keinen hineingeschaut.«
    »Prachtvoll! Die Runde geht an Sie!« Coulbet nickte dem schwarzen Domestique zu und klemmte sich auf einen Stuhl Petra gegenüber. Der Diener reichte ihm ein Glas Rum mit Fruchtsaft. »Ehe der schwarze Satan da es Ihnen zuflüstert: Madame, ich bin Kriminalkommissar. Im Augenblick nicht im Dienst.«
    »Sie sind zufällig hier?«
    »Nein! Die Neugier trieb mich! Ich wollte Sie kennenlernen. René hat schon viel von Ihnen erzählt. Auch, daß Sie heute per Schiff von San Juan ankommen.« Coulbet nippte an seinem Frucht-Rum. »War's eine schöne Überfahrt?«
    »Traumhaft schön.«
    »Das denke ich mir. Ein Bekannter von mir war auch auf Ihrem Schiff. Ein älterer, stämmiger Mann mit weißen Haaren. Ein Kreole. Haben Sie ihn zufällig gesehen oder sogar gesprochen?«
    »Es waren viele stämmige, weißhaarige Männer an Bord, Monsieur Coulbet.«
    »Mein Bekannter fällt sofort auf mit seinem Kopf!«
    »Mir ist niemand besonders aufgefallen. Tut mir leid.«
    »Na, dann warten wir mal ab, was er mir erzählt.« Coulbet prostete Petra zu. »Sie sind ihm sofort aufgefallen, wetten?! Welcher Mann könnte an Ihnen vorbeisehen?«
    »Danke.«
    Sie lachte hell. Aus dem Haus trat in diesem Augenblick René, blieb stehen und kam dann schnell näher. Er hieb Coulbet auf die Schulter und beugte sich zu Petra hinunter, um ihr einen Kuß zu geben.
    »Glaub von dem, was er sagt, nur die Hälfte!« rief er. »Und diese Hälfte ist auch noch gelogen!«
    »Ist das ein Kavalier, was?« Coulbet tat entrüstet. »Ich sage: Sie sind eine der faszinierendsten Frauen, und er haut sofort dazwischen: Das ist gelogen! Wie können Sie einen so ungehobelten Klotz bloß lieben, Madame?!«
    Nach einer Stunde, die wie im Fluge verging, verabschiedete sich Coulbet und fuhr zurück nach Fort de France. »Ein netter Kerl«, sagte Petra,

Weitere Kostenlose Bücher