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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie näher. Man sollte sie mitnehmen und mit dem Holz vergleichen, aus dem die Puppe geschnitzt worden ist, die auf dem Bett in Petras Kabine gelegen hatte. Aber war das ein Beweis? Die gleichen Bäume wie auf Martinique wuchsen auch auf Puerto Rico, und einen heimlichen Voodoo-Kult gab es überall in der Karibik.
    Unzufrieden mit sich selbst hängte Coulbet den Fetisch wieder an den Nagel in der Wand und verließ die Hütte. Draußen werkelte das alte Weib herum, erwiderte seinen Gruß nicht, als er zum Jeep ging, aber als er abfuhr, blickte sie ihm böse nach.
    Den Rückweg nahm Coulbet wieder über die holprige, alte Straße und die Holzfällerwege am Piton Marcel. Es war um die Mittagszeit, ein heißer Tag, aber hier in den mit Urwald überwucherten Felsen und Schluchten war es etwas kühler. Nach einer durchrüttelnden Fahrt sah Coulbet endlich die primitive Hütte aus Baumstämmen und Palmblättern, und im stillen bewunderte er André Casarette, der nun über ein Jahr in dieser Wildnis lebte, den Mont Pelée beobachtete, den Vulkan abhorchte wie ein Arzt mit einem Stethoskop das Herz und sich in den Berg wühlte, um Gesteinsproben zu untersuchen. Dazu gehörte wirklich Idealismus und eine übergroße Liebe zum Beruf des Geologen.
    Casarette war nicht in seiner Hütte. Coulbet rief seinen Namen, hupte dann mehrmals, aber niemand zeigte sich. Er hämmert wieder in seinem Schacht herum, dachte Coulbet, stieg aus und setzte sich vor die Hütte auf einen Bauklotz. Er konnte sich gut vorstellen, daß ein Mann, der hier leben muß, am Abend seine Einsamkeit im Rum ertränkt.
    Überhaupt war es erstaunlich, daß André Casarette seit einem Jahr hier völlig allein lebte. Jeder andere, Coulbet eingeschlossen, hätte sich aus dem großen Angebot hübscher, aber armer Kreolinnen ein Mädchen ausgesucht und mit in den Wald genommen. Es gab genug, die mit ihm gegangen wären, weg aus der Enge des kleinen hölzernen Elternhauses, in dem man mit zehn oder mehr Geschwistern leben mußte. Casarette aber war allein geblieben. Vielleicht macht einen die ständige Beschäftigung mit Steinen zum Sonderling?
    Coulbet saß schon eine Viertelstunde auf dem Hauklotz, als er aus der Hütte, durch die offen stehende Tür, ein merkwürdiges Quäken hörte. Er legte den Kopf etwas zur Seite und lauschte angestrengt. Klingt wie ein Funksprechgerät, dachte er. So 'n Blödsinn, was soll Casarette mit einem Funkgerät? Wen will er denn anfunken?
    Aber das Quäken blieb. In kurzen Abständen kam es immer wieder. Coulbet stand auf, ging zur Hütte und steckte den Kopf hinein. Da war es wieder. Und jetzt war es sogar zu verstehen: »Hallo! Melden! Hallo! Melden! Hallo …«
    Coulbet stieß einen verwunderten Pfiff aus. Er hat tatsächlich ein Funkgerät. Sieh an! Und da ist jemand irgendwo in der Umgebung, der Casarette dringend sprechen will. So ganz weg von der Welt ist er also nicht.
    In Coulbet erwachte der polizeiliche Jagdeifer. Er rief noch einmal laut Casarettes Namen, obgleich er wußte, daß ihm keiner antworten würde, es beruhigte sein Gewissen. Dann betrat Coulbet die Hütte, betrachtete das kleine Gerät, das offensichtlich sonst im Boden versteckt war und betätigte den Knopf, der umschaltete auf Sendung.
    »Ja«, sagte Coulbet. »Ich höre. Was ist los?«
    Er schaltete wieder auf Empfang, aber der Gesprächspartner schwieg. Er mußte beim Klang der fremden Stimme sofort ausgeschaltet haben. Das war mehr als merkwürdig. So reagiert nur jemand, der etwas zu verbergen hat. Coulbet wackelte nachdenklich mit der Nase, kratzte sich dann den Nasenrücken, ging wieder ins Freie und setzte sich zurück auf den Hauklotz.
    Das sollte man im Auge behalten, dachte er. Vor allem sollte man die Frage klären: Wer steht mit Casarette in Verbindung? Wozu hat er ein Funkgerät? Er könnte es brauchen, um rechtzeitig Alarm zu geben, wenn der Berg unruhig wird. Eine Katastrophe wie 1902 in St. Pierre sollte sich nicht wiederholen. Aber dann war Casarettes Gesprächspartner das geologische und vulkanologische Institut von Martinique. Dort aber würde nie jemand das Gespräch so abrupt abbrechen. Und dann müßte er das Gerät auch nicht verbergen.
    Nach einer halben Stunde kam Casarette aus dem Stollen heraus. Er war mit grauschwarzem Steinstaub überzogen und kaum noch erkennbar. Dabei hustete er erbärmlich und sich krümmend. Er breitete weit die Arme aus, holte ein paarmal tief Luft und ließ dann die Arme wie Windmühlenflügel kreisen, als

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